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Letzte Aktualisierung: 25.04.2024

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Und die Liebe höret (öfters) doch auf

Turbulentes Theaterstück beim Limburg Sommer in Bad Dürkheim

von Michael Hörskens

(07.07.2017) Liebe und Triebe, Freude und Frust, Zuneigung und Zerwürfnis. Es ist der vielfältige Stoff, aus dem Literatur oder Theater Honig saugen. So bediente sich auch Ödön von Horváth dieser Thematik bei seinem 1932 geschriebenen Volksstück „Kasimir & Karoline - Und die Liebe höret nimmer auf“.

Bildergalerie
Alle Akteure ließen zu Beginn der Aufführung in der Klosterruine Limburg bunte Luftballons aufsteigen.
Foto: Hörskens
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Für ihre ansprechenden Leistung erhielten die Darsteller des TadW viel Applaus vom Publikum.
Foto: Hörskens
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Beim 18. „Limburg Sommer“ in der Bad Dürkheimer Klosterruine präsentierte das „Theater an der Weinstraße“ (TadW) insgesamt acht Mal  das Stück des österreichisch-ungarischen Literaten. Das Publikum honorierte dabei stets die beeindruckenden Leistungen der Akteure, alles Laiendarsteller jeden Alters.

„Und die Liebe höret nimmer auf“ - dieser Bibelsatz aus dem Paulusbrief steht im Theaterstück „Kasimir & Karoline“ auf dem Prüfstand. Die Liebe in all ihren Schattierungen ist dabei natürlich auch das zentrale Thema. Sie bringt bekanntermaßen Licht und Schatten mit sich, bringt sowohl Glück als auch Schatten ins Leben. Und wenn schlimme Ereignisse in eine Beziehung einfließen, können  Menschen aus dem Gleichgewicht kommen. Wie bei Kasimir und Karoline.

Es ist die Zeit der Weltwirtschaftkrise Ende der 1920er Jahre. Das Paar hat sich auf dem Volksfest verabredet, man wollte eigentlich fröhlich zusammen feiern, Spaß haben, Karussell fahren. Doch Kasimir hat gerade seinen Job als Chauffeur verloren und ist ziemlich neben der Spur. Er hat keine Arbeit mehr und fühlt sich gedemütigt. Er glaubt sich wertlos und beginnt, an der Liebe seiner Karoline zu zweifeln. Da seine Eltern schon gestorben sind sinniert er deprimiert: „Jetzt stehe ich ganz alleine auf dieser Welt.“ Obwohl Karoline versucht, ihm Mut zuzusprechen, reagiert ihr Geliebter skeptisch. Ihm ist auch die Lust auf den Jahrmarktrummel vergangen, als er bemerkt, dass ein anderer junger Mann sich für Karoline interessiert, steigert er sich in eine eskalierende Eifersucht. Mal versucht Karoline auf Kasimir wieder zuzugehen, mal nähert sich dieser wieder seiner Partnerin. Aber dann reden die beiden wieder aneinander vorbei und es gibt erneut Streit.

Ödön von Horváth hat sein Volksstück ursprünglich auf dem Münchner Oktoberfest angesiedelt, TadW-Regisseurin Susanne Schmelcher hat es in ihrer Inszenierung logischerweise vor Ort auf dem Bad Dürkheimer Wurstmarkt, dem größten Weinfest der Welt, angesiedelt, aber gleichzeitig dem Original entsprechend in die späten 20er Jahre transportiert. Es ist indes in seiner Thematik noch nimmer aktuell.

In der Inszenierung des TadW beim Limburg Sommer lassen alle Akteure zunächst bunte Luftballons aufsteigen und schauen einem Zeppelin nach, der modernste Technik darstellt und Zukunft verspricht. Doch die Leichtigkeit des Beginns des Theaterstückes schwindet schnell. Im Hintergrund der Bühne symbolisieren die vier Buchstaben L - O - V - E sowohl eine Schiffschaukel, auf der die Akteure gelegentlich hin und her schwingen, gleichzeitig deuten sie an, dass es in der Liebe mal vor- und mal zurückgeht. Wie bei Kasimir (Levin Steinbach) und Karoline (Naomi Hutomo).enter>

Sie versuchen, ihre Beziehung zu retten, verstricken sich jedoch auf dem Volksfest zusehends in Missverständnisse. Phrasen und Klischees erzeugen Zwist, leichtfertige gegenseitige Unterstellungen steigern ihr Wut. Der Jahrmarkt ist hintergründig die Kulisse für ein beginnendes Drama. Die Szenerie umfasst viele Bereiche von A bis Z, von Alkohol bis Zuckerwatte. Vor allem der Wein wirkt eskalierend. So sind zusehends derbe Chauvi-Sprüche zu hören, frauenfeindliche Dialoge nehmen an Fahrt auf. Und schließlich häufen sich brutale Szenen wie das Werfen von Weinflaschen und am Ende endet alles in einer Kirmes-Schlägerei.

In der Zwischenzeit hat Karoline erst dem Werben eines jungen Mannes namens Eugen Schürzinger (Daniel Neubauer-Pfähler) nachgegeben und fährt mit ihm Achterbahn. Als sich später dessen Chef stark für die junge Maid interessiert, sieht diese die Chance auf einen gesellschaftlichen Aufstieg und steigt in dessen Wagen. Derweil ist der frustrierte Kasimir im Begriff. sich auf die kriminellen Machenschaften seines Freundes, dem Merkl Franz (Jakob Dreyer), einzulassen. Der Ober-Macho, der seine Freundin Erna (Marisa Völker) wie Dreck behandelt, will „die hochkapitalistischen Limousinen der Steuerhinterzieher“ aufbrechen und leerräumen. In all den sich zuspitzenden Turbulenzen droht das Stück, das so einige Längen hat, etwas unübersichtlich zu werden.

Am Ende bleibt bei den Personen des Stückes eine tiefe Ernüchterung und Enttäuschung. Die Leichtigkeit eines Jahrmarkt-Besuches konvertiert in bittere Realität und Desillusion, der Zuschauer erlebt die Vielschichtigkeit und Unvollkommenheit der Menschen, eine Demaskierung der Gesellschaft, die heute noch wie damals oft weit weg ist von jedweden Idealvorstellungen. Und die Liebe höret nämlich doch auf. Manchmal jedenfalls.

Das TadW mit seinen rund 70 Mitgliedern ist schon seit 1974 jeden Sommer auf der Freilichtbühne der Klosterruine Limburg aktiv. Regisseurin Susanne Schmelcher war nach ihrem Studium der Theaterwissenschaften, Germanistik und Philosophie zunächst Regieassistentin am Pfalztheater Kaiserslautern und am Theater Heidelberg. Später agierte sie am Tiroler Landestheater  in Innsbruck, wo sie für ihre Inszenierung von „Anna Karenina“ nach dem gleichnamigen Roman Leo Tolstois 2015 den Wiener Theaterpreis Nestroy erhalten hat.

Die Open-Air Veranstaltungen auf der Bad Dürkheimer Limburg laufen noch bis zum 19. August. Dabei stehen noch einige Höhepunkte auf dem Programm wie etwa das Konzert „Italienische Nacht - Die schönsten italienischen Opernarien“ am 13. August oder der Auftritt von Manfred Mann’s Earthband am 17. August.

Info: Kulturbüro Bad Dürkheim, Tel. (06322)935130; kultur@bad-duerkheim.de