Das Online-Gesellschaftsmagazin aus Frankfurt am Main

Letzte Aktualisierung: 25.04.2024

Werbung
Werbung

Teuflische Jahre – PARDON

von Helmut Poppe

(04.11.2022) Vom 16. Oktober 2022 bis zum 19. März 2023 im Caricatura Museum Frankfurt – Museum für Komische Kunst

Teuflische Jahre
Foto: Pardon - Caricatura Museum
***

Längst ist PARDON, die vor 60 Jahren gegründete „deutsche satirische Monatsschrift“, Legende. Die Ausstellung im Caricatura Museum macht nachvollziehbar, warum das Frankfurter Blatt so erfolgreich war und innerhalb kürzester Zeit mit über 300.000 verkauften Exemplaren zur größten Satirezeitschrift Europas aufstieg. Gleichzeitig wird in der Jubiläumsausstellung “Teuflische Jahre“ deutlich, wie prägnant sich in dem Satiremagazin die bewegte Geschichte der Bundesrepublik in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts spiegelt.

PARDONs Markenzeichen von Anfang an: Ein von F.K. Waechter entworfener Teufel, der scheinbar freundlich seine Melone zum Gruß hebt, um dabei jedoch diebisch lachend seine Hörner zu offenbaren. Gegründet wurde die Zeitschrift 1962 in Frankfurt von Hans A. Nikel zusammen mit Hans Traxler, Chlodwig Poth und Kurt Halbritter. Schnell entwickelte sie sich zum Zeitgeist-Magazin des Aufbegehrens der Jugend gegen den Muff der Adenauerzeit und seiner Autoritäten. PARDON eckte immer wieder an, wurde mit Prozessen überzogen, legte sich mit den meist klerikalen Sittenwächtern an, agitierte gegen die weitverbreitete Prüderie und bürgerliche Doppelmoral der frühen Bundesrepublik. Dies führte von Anfang an zu Verbotsanträgen, Zensurversuchen und Verkaufsbeschränkungen.

PARDON bezog Stellung, ergriff Partei. Das Konzept, Humor, Komik und Satire mit engagierten Texten und Reportagen zusammenzubringen, kam an. Karikaturen standen neben bissigen Polemiken, Fotomontagen neben Buchbesprechungen, ernsthafte Reportagen neben leichtfüßigen Parodien. Alles bunt gemischt, jedoch geeint in der kritischen Betrachtung der bestehenden politischen Verhältnisse. Bald war das Magazin erste Adresse für junge Karikaturisten, entwickelte sich zum Karrieresprungbrett für journalistische Berufsanfänger wie Günter Wallraff, Alice Schwarzer, Wilhelm Genazino oder den späteren “Stern“-Reporter Gerhard Kromschröder. Auch Eckard Henscheid begann dort seine Karriere.

Immer wieder machten die PARDON-Redakteure durch spektakuläre satirische Aktionen auf sich aufmerksam. So enthüllten sie eine Statue des damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke vor der Frankfurter Paulskirche, sie verteilten angeblichen Atommüll unter Passanten, deponierten eine Büste von Günter Grass in der Walhalla, dem deutschen Heroen-Tempel an der Donau, oder sie veranstalteten Lichtbildervorträge „zur Früherkennung von Bankräubern“, bei denen sie die NPD für sich einspannten. Die große Jubiläumsausstellung “Teuflische Jahre“ dokumentiert auf den vier Ebenen des Museums in Originalzeichnungen, Fotos und Gerichtsakten den Werdegang des Magazins. Der Versuch des PARDON-Verlegers Hans A. Nikel, in den späten 70er Jahren die Zeitschrift für New-Age-Themen zu öffnen, beschleunigte den personellen Aderlass. Wichtige Mitarbeiter setzten sich ab, ein Teil firmierte fortan als “Neue Frankfurter Schule“ (NFS). Die Gruppe, zu der auch die Texter von Otto Waalkes, Robert Gernhardt, Peter Knorr und Bernd Eilert gehörten, gründete schließlich 1979 das Konkurrenzblatt “Titanic“. 1982, unter ihrem letzten Chefredakteur Henning Venske, wurde PARDON eingestellt. In seiner 20jährigen Geschichte hatte sich das Magazin als stilprägend für Medienschaffende erwiesen, dessen Einfluss bis heute nachwirkt. Caricatura-Direktor Achim Frenz: „Mit der Ausstellung schließt sich eine Lücke, und PARDON, dieses kreative Sammelbecken, aus dem auch die ‘Neue Frankfurter Schule‘ hervorgegangen ist, erhält endlich den Platz, den es historisch verdient.“

Die Kuratoren der Ausstellung
GERHARD KROMSCHRÖDER, geboren 1941 in Frankfurt am Main, studierte dort Soziologie und Kunstgeschichte. Er war Lokalredakteur im Emsland und arbeitete von 1967 bis 1979 bei PARDON, zuletzt als stellvertretender Chefredakteur. Damit kann er für sich in Anspruch nehmen, der dienstälteste PARDON-Redakteur zu sein. Danach ging er als Reporter zum “Stern“ nach Hamburg, wo er sich durch seine Undercover-Recherchen in der Neonazi-Szene und als ‚Türke‘ einen Namen machte; lebte als Nahost-Korrespondent des Blattes in Kairo und war Kriegsreporter im bombardierten Bagdad. Er unterrichtete Journalismus an der Universität Wien und veröffentlichte zahlreiche Bücher und Fotobände. Zuletzt erschien sein gemeinsam mit Gerhard Henschel verfasstes Wandertagebuch „Märchenwege. Auf den Spuren der Brüder Grimm durch den Vogelsberg und das Hessische Bergland“. TILL KAPOSTY-BLISS, geboren 1970 in Köln, ist Grafiker und Zeitschriften-Sammler und seit 2014 Verleger und Art Director der Monatszeitschrift “Das Magazin“. Seit 2020 verwaltet er den Nachlass des PARDON-Verlegers Hans A. Nikel und hält die Rechte an dessen Verlag Bärmeier & Nikel. PARDON lernt er als Jugendlicher in alten Ausgaben vom Sperrmüll kennen, seitdem sammelt er, neben anderen zahlreichen Magazinen, das Satireblatt und beschäftigt sich mit seinem Kosmos. In seiner Freizeit rettet er ab und an historische LadenSchriftzüge vor der Verschrottung und ist Vorstandsmitglied des “Buchstabenmuseums“ in Berlin.

Laufzeit:
16. Oktober 2022 bis 19. März 2023

Öffnungszeiten und Preise hier