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Letzte Aktualisierung: 19.04.2024

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Tötungsdelikte besser erkennen

Stadt Frankfurt, Uniklinik und Polizei in einem Boot

von Karl-Heinz Stier

(15.01.2018) Die Leichenschauen in Frankfurt werden von nun an zeitnah, gründlicher und schneller vorgenommen werden. Dies ermöglicht seit 1. Januar diesen Jahres ein Pilotprojekt der Stadt Frankfurt als Finanzier, des Universitätsklinikums Frankfurt und des Frankfurter Polizeipräsidiums.

Teilnehmer der Pressekonferenz: Prof. Dr. Marcel A. Verhoff, Direktor Rechtsmedizin Uniklinik, Prof. Dr. Jürgen Gref, Ärztlicher Direktor Uniklinik Frankfurt, Prof. Dr. Dr. René Gottschalk, Gesundheitsamt Frankfurt, Gesundheitsdezernent Stefan Majer, Polizeipräsident Gerhard Bereswill
Foto: Karl-Heinz Stier
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Als erste Kommune in der Bundesrepublik werden sie ungeklärte Todesfälle – unabhängig von den gesetzlichen Vorgaben des Landes – in einer qualifizierten Leichenschau gemeinsam regeln. 

Bislang galt es bei der Ermittlung einer nicht gesicherten Todesfolge, zu denen die gerufene Polizei verpflichtet ist, erst einen Arzt zu verständigen, der den Tod eines Menschen, seine Art des Ablebens und die Ursache schriftlich beglaubigen musste. Nach Angaben der Polizei wurde jedoch gelegentlich die Todesursache nicht genau ermittelt (Polizeipräsident Gerhard Bereswill: „Es gab eine Reihe von Dunkelziffern“). Außerdem traten erhebliche Zeitverzögerungen auf, bis ein Arzt gefunden werden konnte. Zwei Stunden waren die Regel, es konnte aber im Extremfall bis zu neun Stunden dauern, und es soll vorgekommen sein, dass Hausärzte einen Einsatz ablehnten. Das tangierte nicht nur die Polizeibeamten, die vor Ort jede Spurenverwischung verhindern und den Fundort der Leiche sichern mussten, es berührte auch die Angehörigen der Toten, falls sie anwesend waren und neben der Trauer auch in Ungeduld das Ergebnis des Arztes abwarten mussten. Gegebenenfalls nahmen in der Not Ärztinnen und Ärzte des Gesundheitsamtes diese spezielle Leichenschau vor. Dass dies nicht ungewöhnlich war, geht aus der Polizeistatistik 2017 hervor, wonach die Polizeireviere in Frankfurt mit 935 polizeilichen Leichenschauen erstbefasst waren.

Diese Situation hat sich seit 1.Januar 2016 noch verschärft, weil von diesem Zeitpunkt an die Kassenärztliche Vereinigung ihren Tagesbereitschaftsdienst aufgab und seither nur noch in den Nachtstunden aktiv ist.

Das hat sich nach der Neuregelung ab 1. Januar 2018  wesentlich geändert. Verantwortlich für die Feststellung der Todesursache ist nunmehr ein Rechtsmediziner der Universitätsklinik Frankfurt. In den ersten 14 Tagen des bundesweit einmaligen Pilotprojekts wurden nach Aussagen von Prof. Dr. Marcel A. Verhoff, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt, von den nunmehr zuständigen Rechtsmedizinern 2,5 Fälle pro Tag bearbeitet. „Der/die  RechtsmedizinerIn schaut sich den Toten erst intensiv äußerlich an, um festzustellen, ob es ein Alarmzeichen für eine Tötung durch ein Fremdverschulden, also Mord oder Totschlag, gibt, und erst dann widmet er sich möglichen inneren Verletzungen. „Dann obduzieren wir den Verstorbenen, schließlich bringt der Rechtsmediziner eine spezielle Berufserfahrung bei seiner Tatortarbeit mit“.

Polizeipräsident Gerhard Bereswill sieht in der neuen einmaligen Frankfurter Pilotregelung einen Vorteil für seine Beamten. Die Wartezeiten der Revierbeamten werden deutlich verkürzt und dadurch Ressourcen für den Streifendienst frei. Nach seinen Berechnungen hatten sich 2017    1700 Wartestunden durch die Leichenschauen ergeben. Bereswill sprach die Vermutung aus, dass Kapitaldelikte durch die neue Regelung sicherer erkannt werden können. Zur Stützung seiner Auffassung zog er eine bundesweite Studie heran, nach der in 1000 Fällen die polizeiliche Brisanz in der Leichenschau nicht bemerkt wurde. „Man hätte in diesen Fällen sofort einschreiten müssen“.

Der Gesundheitsdezernent der Stadt Frankfurt, Stefan Maier, wies darauf hin, dass Frankfurt bei dem kommunalen Projekt 100 000 Euro zuschieße. „Die Stadt geht freiwillig Leistung ein Jahr in Vorleistung“. Er und der Leiter des Frankfurter Gesundheitsamtes, Prof. Dr. Dr. René Gottschalk, hoffen, dass am Ende des Pilotprojektes, das auf ein Jahr befristet ist, weitere finanzielle Mittel fließen, um die Umwandlung des Projekts in eine dauerhafte Einrichtung, wofür 200 000 Euro pro Jahr notwendig sind,  möglich zu machen.