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Letzte Aktualisierung: 16.04.2024

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Straßburg: Mal nicht Krokodil, Kathedrale und Kugelhupf. Teil 2 Stadt, Wohnen, Häuser

von Helmut Poppe

(09.10.2018) Absichtlich wird in diesem Beitrag nicht auf die typischen Monumente und Bauten des mittelalterlichen Straßburgs eingegangen, die was die Kirchen anbetrifft vorwiegend aus dem 14. Jahrhundert oder früher stammen. Die Fachwerkbauten (maisons à colombages“) wurden zumeist im 15. Und 16. Jahrhundert errichtet. Die Eisfabrik, die sich so prominent an die Petite France anschließt und die Kraft des Flüsschen Ill nutzt, wurde im 17. Jahrhundert gebaut und ursprünglich als Mühle genutzt, ab 1897 als Stangeneisfabrik.

Bildergalerie
Quai Strasbourg
Foto: Frankfurt-Live, Poppe
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Dann doch die Kathedrale
Foto: Frankfurt-Live, Poppe
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Straßburg nachts
Foto: Frankfurt-Live, Poppe
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Hautepierre
Foto: screenshot, googlemaps
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Maison à colombages, Fachwerkhäuser
Foto: Frankfurt-Live, Poppe
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Es geht hier eher um städtebauliche Entwicklungen etwa der letzten 150 Jahre. Alles auch mit einem Blick und Vergleich mit und auf Frankfurt. Von der Größe gehören beide Städte zu den eher mittleren Großstädten: Frankfurt zählt etwa 720.000 Einwohner, Straßburg hingegen knapp 500.000, wobei der eigentliche Stadtkern dort 300.000 Personen umfasst. Zur Geschichte: In dem Frankfurter (!) Vertrag von 1871 wurde nach dem damaligen Krieg  Elsass-Lothringern „erlaubt“, die französische Nationalität beizubehalten. Nur mussten die Einwohner, falls sie sich für ein Beibehalten ihrer Nationalität aussprachen die Region, Hab und Gut, verlassen.  Dass dies nicht zu Wohlwollen und Begeisterung führte, ist klar. Gemäß geschichtlicher Quelle legte sich diese Unzufriedenheit im Laufe der Jahrzehnte und mit wachsender Modernisierung der Stadt. Zu dieser Zeit wurde die Planung eines neuen Viertels nämlich der „Neustadt“ beschlossen. Diese erstreckt sich zwischen dem Straßburger Bahnhof über die Universität bis südlich der Orangerie. Grund für das städtebauliche Vorhaben war, dass nach dem Krieg 1870/71 große Teile Straßburgs in Schutt und Asche lagen. Ein Theaterstück, das zurzeit im Theater Zénith in Straßburg läuft, schildert in verschiedenen Aufzügen die wechselhafte Geschichte der Stadt von 1870 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, an dem demnächst in Frankreich mit einer 100-Jahre-Feier erinnert wird.

Auffallend ist die Ähnlichkeit mancher Gebäude und Straßenzüge in Straßburg mit denen in Frankfurt. Charakteristisch ist hierbei verwendete Sandstein, in den Häusern, die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut wurden. Starke Ähnlichkeiten gibt es auch bei den Fachwerkhäusern beider Städte, nur, dass diese im Elsaß authentisch sind.

Ganz im Westen der Stadt befindet sich eine Stadtteil namens Hautepierre oder auch Hohenstein, der in den 60er Jahren gebaut wurde, und da drängt sich der Vergleich mit der Frankfurter Nordweststadt oder der Schwalbacher Innenstadt auf.

 In Hautepierre leben knapp 25.000 Menschen, das Viertel wurde so konstruiert, dass eine Anzahl aus mehrgeschössigen Miethäusern in Waben angelegt ist, die zur Orientierung weibliche Namen tragen. Durchquerende Straßen sind Einbahnstraßen ohne Ampeln. Was dazu führt, dass wenn man eine Einfahrt zu einem Gebäude verpasst, die Anfahrt aufs neue durchführen muss und zwar über mehr als drei Kilometer. Das Konzept war ambitioniert und innovativ. Die Zeit hat jedoch gezeigt, dass die positiven Aspekte dieser Netzstruktur (Nähe zu Schulanlagen, angenehme und sichere Wohnumgebung für Kleinkinder) negative Auswirkungen auf die Mobilität (insbesondere für Nichtansässige) haben.  Sie gilt als eine der Ursachen für das soziale Versagen des Stadtteils, der auch unter einem echten Mangel an sozialer Vielfalt leidet. Hautepierre ist der französische Stadtteil mit dem höchsten Anteil an Kindern und Jugendlichen mit über 50 Nationalitäten, womit sich zeigt, wie sehr unsere Nachbarn die Rolle eines Einwanderungslandes einnehmen vor allem für Menschen aus Afrika, dem Balkan und aus den eigene Übersee-Provinzen.  Die Stadt liegt in einer Rangreihe der Städte mit der höchsten Kriminalitätsrate in Frankreich an der 26. Stelle.

 Im Gegensatz zu kompakten Großsiedlungen der 60er und 70er Jahre in anderen Städten ist die 1968 rund 8 Kilometer von der Frankfurter Innenstadt entfernte Trabantensiedlung Nordweststadt in deutlich geringerem Maße von sozialen Problemen betroffen und zählt aufgrund der inzwischen ausgewachsenen, früher nur in Ansätzen erkennbaren, umfangreichen Stadtteilbegrünung nicht mehr zu den schlechtesten Gebieten Frankfurts. Ursprünglich geplant für bis zu 50.000 Einwohnern leben dort jetzt etwa 16.000 Menschen. Eine vernünftige Verkehrsführung, zahlreiche Bildungsstätten, hohe überdurchschnittliche Abstände der Gebäude zueinander und viele Grünflächen sowie die gewollte soziale Mischung der Bewohner scheinen zu wirken.

Anders sieht es in der in den 60er Jahren nach dem Entwurf des Architekten Hans Bernhard Reichow und nach dem Konzept einer "organischen Stadtlandschaft" gebauten Limesstadt in Schwalbach aus. Ein kürzlich verabschiedeter 7-Punkte-Plan soll mit einem Sicherheitspaket gegen  Sachbeschädigungen und Lärmbelästigungen präventiv arbeiten. Die Betäubungsmittelkriminalität soll zudem bekämpft werden. Urheber des nächtlichen Vandalismus sind angeblich „jugendliche Banden“.

In dem Straßburger Viertel Hautepierre befindet sich außerdem eine sogenannte „Pépinière", eine „Baumschule“ oder besser ausgedrückt eine Startup-Fördergesellschaft für junge Unternehmen. Hier werden in einem europäischen Projekt jungen Unternehmen eine Unterbringung, Infrastruktur und andere Unterstützung geboten. Einen Bericht dazu lesen Sie in einem der nächsten Artikel.

Insgesamt erwarten Sie in den Reiseberichten aus Straßburg und dem Elsaß die Themen Menschen, Wohnen, Europa, Politik, Kultur, Flanieren und Wirtschaft. All dies möglichst auch immer in einem Bezug und mit einem Vergleich zu Frankfurt.  Vieles ist ähnlich, anderes bestimmt kreativer, versehen mit einem „French Touch“.