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Letzte Aktualisierung: 28.03.2024

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Start für die „Digitale Schule Hessen“ und Familienklassen

von Helmut Poppe

(09.08.2019) Neue Schwerpunkte im Schuljahr 2019/20 Kultusminister Lorz: „Mit Investitionen in die Digitalisierung und den weiteren Ganztagsausbau sowie neuen Förderangeboten wie den Familienklassen machen wir Hessens Schulen fit für die Zukunft.“ 600 neue Lehrerstellen – 200 zusätzliche Stellen für Referendare Investitions- und Fortbildungsoffensive für „Digitale Schule Hessen“ 250 neue Ganztagsangebote Hessen bekommt weitere „Familienklassen“ „Islamunterricht“ startet als Schulversuch in der Jahrgangsstufe 7

„Zum Beginn des neuen Schuljahres zeigt sich verstärkt, wie unsere Maßnahmen für eine ständig zu verbessernde Unterrichtsversorgung und die Investitionen in die Aus- und Weiterbildung greifen“, erklärte Hessens Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz heute in der traditionellen Pressekonferenz zum Schuljahresstart. Bei einer etwa gleichbleibenden Gesamtschülerzahl (759.000) steige die Zahl der zur Verfügung stehenden Lehrerstellen abermals um rund 600 auf insgesamt 54.700. Darunter seien rund 350 neue Stellen für den Ganztagsausbau und 60 Stellen zusätzlich in der Inklusion. „Der Lehrkräftebedarf für die Schülerinnen und Schüler in Hessen bleibt somit anhaltend hoch“, erläuterte Lorz weiter. „Wir sehen aber auch, dass die Investitionen in die Aus- und Fortbildung im Grundschulbereich Früchte tragen.“ Die Bereitstellung zusätzlicher Aus-, Fort- und Weiterbildungskapazitäten mache sich aber signifikant bemerkbar. „An diesem Kurs halten wir unvermindert fest und haben daher mit den Universitäten in Gießen, Frankfurt und Kassel vereinbart, bereits zum kommenden Wintersemester 2019/20 insgesamt 135 zusätzliche Studienplätze im Grundschullehramt bereitzustellen. Die Justus-Liebig-Universität wird darüber hinaus 30 zusätzliche Studienplätze im Förderschullehramt einrichten. Ähnliches wünschen wir uns insbesondere auch für Nordhessen und hoffen sehr, dass wir die Universität Kassel spätestens im Zuge der Verhandlungen für den neuen Hochschulpakt von der Notwendigkeit der Förderschullehrerausbildung überzeugen können“, so der Kultusminister. Lorz kündigte außerdem an, dass das Land mit 200 zusätzlichen Stellen für Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst selbstverständlich auch selbst seinen Beitrag leiste, um den anstehenden Bedarf an qualifiziertem Personal decken zu können.

Dass dieser Bedarf auch in naher Zukunft hoch sein wird, zeigt sich beispielsweise an der erneut ansteigenden Zahl von Erstklässlerinnen und Erstklässlern, die sich auf rund 54.900 erhöht. Die Zahl der öffentlichen allgemeinbildenden und beruflichen Schulen liegt im Schuljahr 2019/20 bei 1.810.

„Wir stellen die Schulen personell aber auch breiter auf“, betonte Kultusminister Lorz weiter. Das zeige sich u.a. an den im vergangenen Jahr zusätzlich zur Verfügung gestellten 700 Stellen für sozialpädagogische Fachkräfte, dem Ausbau der inklusiven Beschulung sowie dem im Koalitionsvertrag angekündigten Ausbau der Schulpsychologie oder auch dem Einsatz von Schulgesundheitsfachkräften. „So werden multiprofessionelle Teams an unseren Schulen von Jahr zu Jahr stärker Realität.“

Bildungspolitische Schwerpunkte der Landesregierung im neuen Schuljahr:
„Digitale Schule Hessen“ macht die Schülerinnen und Schüler fit für die digitale Welt

Um digital gestütztes Lehren und Lernen an den Schulen weiter zu verbessern und den bisherigen Anstrengungen weiteren Schwung zu verleihen, hat Hessen aufbauend auf dem „DigitalPakt Schule“ zwischen Bund und Ländern sein eigenes Landesprogramm „Digitale Schule Hessen“ entwickelt. In diesem Programm werden Maßnahmen zur pädagogischen Unterstützung der Schulen, zur verantwortungsvollen Mediennutzung von Schülerinnen und Schülern, zu Lehrerfortbildungen und zur technischen Ausstattung und IT-Infrastruktur der Schulen gebündelt.

Die zur Verfügung stehenden Bundesmittel in Höhe von 372 Millionen Euro werden mit einem Eigenanteil des Landes und der Schulträger von 25 Prozent statt der vom Bund geforderten 10 Prozent aufgestockt. So stehen in Hessen in den kommenden fünf Jahren rund eine halbe Milliarde Euro – rund 540 Euro für jede Schülerin und jeden Schüler – nur für die Verbesserung der digitalen Infrastruktur zur Verfügung. „Von der Grundschule über die weiterführenden Schulen bis hin zu den beruflichen Schulen: Alle Schulformen profitieren von dem Programm, und Hessen legt gemeinsam mit den Schulträgern noch eine ordentliche Schippe drauf“, unterstrich der Minister.

Förderfähig sind Ausstattungen an allen öffentlichen allgemeinbildenden und beruflichen Schulen, Schulen in Trägerschaft des Landes sowie an genehmigten Ersatzschulen. Darüber hinaus sind auch Maßnahmen an Pflegeschulen förderfähig. Antragsberechtigt ist der jeweilige Schulträger. Das für die Förderung notwendige Gesetz wurde noch vor der Sommerpause im Juni in den Landtag eingebracht. Parallel zum Gesetzgebungs­verfahren wird derzeit die Förderrichtlinie erarbeitet. Im Laufe des vierten Quartals können die Schulen dann bereits ihre Förderanträge einreichen. Wesentliche Voraussetzung dafür ist ein Medienbildungskonzept. „Die ersten Anträge wollen wir noch in diesem Jahr bewilligen“, so der Kultusminister. „Mit ‚Digitale Schule Hessen‘ wollen wir allerdings keineswegs Bücher und bewährte Lernmethoden verbannen! Vielmehr geht es uns darum, den Unterricht mit neuen Lernformen und digitalen Methoden zu bereichern.“

Wie sieht der aktuelle Zeitplan aus?
·       21. August: Anhörung zum Gesetzentwurf im Hessischen Landtag

·       24. – 26. September: Zweite und dritte Lesung im Hessischen Landtag

·       Parallel zum Gesetzgebungsverfahren: Erarbeitung der Förderrichtlinie

·       25./ 26. September: Medienbildungsmesse an der Goethe-Universität Frankfurt

·       Freischaltung der Webseite www.digitaleschule.hessen.de

·       Nach den Herbstferien: schulamtsbezogene Infoveranstaltungen für alle Schulen und

·       Entwicklung von neuen Fortbildungsangeboten zum Einsatz digitaler Medien im Fachunterricht sowohl   
        vom Land selbst als auch von externen Anbietern

·       Nov/Dez: Informationsveranstaltung für die Schulträger zum Antragsverfahren und Beginn der
        Antragstellung

Hessen bekommt weitere „Familienklassen“
Selten verläuft die Schullaufbahn eines Kindes beziehungsweise Jugendlichen vollkommen reibungslos, fast täglich gibt es kleinere oder größere Herausforderungen zu meistern. Die Ursache für schulische Probleme kann auch in der Familie liegen. In solchen Fällen kann das neue und innovative Modell der Familienklasse unterstützen, bei dem Eltern mit ihren Kindern einmal wöchentlich unter Anleitung und Begleitung einer Lehrkraft und einer Multifamilientrainerin oder eines Multifamilientrainers den Schultag gemeinsam verbringen. Im Rahmen des Unterrichts werden die Eltern und Kinder auf Schwierigkeiten und Probleme — insbesondere im Arbeits- und Sozialverhalten — aufmerksam gemacht. Eltern und Kinder lernen sich gegenseitig zu helfen und vor allem für sich selbst Lösungen zu finden. Die Multifamilientrainerin oder der Multifamilientrainer moderiert, unterstützt und berät, wo es notwendig und angebracht erscheint. Die Lehrkraft ist für die Vermittlung der Lerninhalte zuständig. Den Unterricht an den restlichen vier Wochentagen verbringen die Schülerinnen und Schüler in ihren Regelklassen.

Im Schuljahr 2019/20 werden 24 Grundschulen eine solche Familienklasse gemeinsam mit sozialen Trägern vor Ort anbieten. Zu den Regionen zählen die Stadt Gießen sowie der Kreis Bergstraße, der Landkreis Kassel, der Lahn-Dill-Kreis und der Wetteraukreis. „Die Familienklassen sind ein ganz besonderes Projekt, das beeindruckende pädagogische Ergebnisse erzielt. Daher freue ich mich umso mehr, dass wir das Projekt mit Beginn des neuen Schuljahrs ausweiten können. Wir sehen darin aber nur den Anfang einer Erfolgsgeschichte“, so Lorz.

250 neue Ganztagsangebote in Hessens Schulen
Beim Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote in den Schulen setzen wir auch im neuen Schuljahr auf eine Vielfalt von freiwilligen Ganztagsangeboten anstelle verpflichtender Ganztagsschulen für alle. 250 Schulen werden ihr bestehendes Angebot erweitern oder neu an unserem Landesprogramm teilnehmen. 168 Schulen erweitern ihre Angebote im bisherigen Profil, 18 setzen einen Profilwechsel um und 19 werden neu in die Profile 1 oder 3 aufgenommen. Damit arbeiten 611 Schulen im Profil 1, 224 Schulen in Profil 2 und 109 Schulen im Profil 3. Im Pakt für den Nachmittag steigt die Stadt Kelsterbach mit einer Schule neu als Schulträger ein. 44 weitere Schulen aus den bisherigen Schulträgerregionen werden neu in den Pakt aufgenommen. Damit nehmen nun insgesamt 253 Schulen und damit 45 mehr als bisher am Pakt teil.

„Insgesamt bieten rund 1.200 Schulen Ganztagsangebote an. Dafür setzen wir insgesamt 3.300 Stellen ein, ein Plus von 350 Stellen im Vergleich zum zurückliegenden Schuljahr. Nahezu die Hälfte der Schulen im Ganztag bietet mittlerweile an fünf Tagen in der Woche Bildungs- und Betreuungsangebote an. Im neuen Schuljahr arbeiten darüber hinaus 61 Prozent der Grundschulen ganztägig, was einer Steigerung von mehr als 60 Prozent im Vergleich zum Schuljahr 2013/14 entspricht“, erklärte der Kultusminister.

Schon bald können Schulen in ganz Hessen im neuen „Pakt für den Ganztag“ erstmals auch eine sogenannte Teilbindung anbieten, bei der freiwillige (wie bisher) und gebundene (neu) Angebote parallel existieren. Sieben Pilotschulen bieten das Modell im Schuljahr 2019/20 bereits an, weitere folgen.

Neuer „Islamunterricht“ startet als Schulversuch ab Klasse 7
Sechs Jahre nach Einführung des bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts mit DITIB Hessen hängt die Fortsetzung davon ab, ob der DITIB Landesverband weiterhin die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Kooperationspartnerschaft erfüllt. Dazu wird auf Basis der Gutachten aus dem Jahr 2017 und der seitdem von DITIB eingereichten Unterlagen noch in diesem Jahr eine endgültige Entscheidung fallen, ob die Kooperation dauerhaft fortgesetzt wird. Im Sinne verantwortlichen Handelns braucht es aber im Falle einer Beendigung der Kooperation Alternativen für die Schülerinnen und Schüler, die derzeit an diesem Unterricht teilnehmen.

Daher startet mit dem „Islamunterricht“ als Schulversuch ein neues Unterrichtsangebot für die 7. Jahrgangsstufe, welches ohne die Beteiligung von Religionsgemeinschaften organisiert ist und die religiöse Bildung muslimischer Schülerinnen und Schüler unter Verzicht auf einen konfessionellen Religionsunterricht sicherstellt. Der neue Unterricht wird an sieben weiterführenden Schulen mit 144 Schülerinnen und Schülern und neun Lehrkräften angeboten.

Der „Islamunterricht“ ist kein konfessioneller Religionsunterricht nach Artikel 7 Abs. 3 GG; er folgt keinen Grundsätzen bestimmter Religionsgemeinschaften. Der Unterricht vermittelt Wissen über den Islam, dessen Geschichte, Traditionen und seine unterschiedlichen Ausprägungen. Wie die Fächer Religion und Ethik wird er mit zwei Wochenstunden pro Jahrgang erteilt. Im Gegensatz zum Religionsunterricht ist die Rolle der Lehrkraft durch Neutralität gegenüber den unterschiedlichen Religionen gekennzeichnet. „Die Koranauslegungen in Hinterhofmoscheen und die religiöse Erziehung im Elternhaus dürfen nicht die alleinige Grundlage für die religiöse Bildung unserer muslimischen Kinder und Jugendlichen sein. Mit der Entscheidung, einen neuen Unterricht in alleiniger Verantwortung des Landes ab der Jahrgangsstufe 7 zu erproben, möchten wir klar aufzeigen, wie dauerhaft Verlässlichkeit und Sicherheit für alle Beteiligten geschaffen werden können. So können wir zudem sämtlichen Diskussionen um eine mögliche Einflussnahme anderer Staaten die Grundlage entziehen“, erklärte Lorz.

„Gutes Deutsch – bessere Chancen“ – Halbzeit der hessischen Präsidentschaft der Kultusministerkonferenz
Der Beginn des neuen Schuljahres geht auch mit der Halbzeit der hessischen Präsidentschaft der Kultusministerkonferenz einher. Unter dem Titel „Gutes Deutsch – bessere Chancen“ hatte Kultusminister Lorz das Thema bereits im Februar als KMK-Präsident auf dem Podium der didacta, der größten Fachmesse für Bildungswirtschaft in Europa, vorgestellt. Zeitgleich begann die intensive Arbeit an der KMK-Empfehlung zur Förderung der Bildungssprache, die im Laufe des Jahres final beschlossen werden soll. „Das von uns gesetzte Thema ist sowohl im Kreis der anderen Bildungs- und Kultusministerinnen bzw. -minister als auch bei Verbands- und Stiftungsvertretern und bei zahlreichen Schulpraktikern auf eine außerordentlich positive Resonanz gestoßen. Dies hat uns in unserer Arbeit bestärkt und ermutigt, den eingeschlagenen Weg mit großem Engagement weiterzugehen“, erläuterte Lorz. Im November findet daher in Frankfurt ein großer Fachkongress statt, der sich intensiv der Stärkung der Bildungssprache Deutsch widmen wird.

Wie hoch der Stellenwert des Schwerpunktthemas für die Landesregierung ist, zeigt das Kapitel „Bildungssprache Deutsch fördern“ im Koalitionsvertrag. „Wir bekennen uns darin zu einem Deutschförderkonzept aus einem Guss, wollen einen verbindlichen Charakter für die Vorlaufkurse erreichen, setzen auf die dauerhafte Implementierung unseres Grundwortschatzes und wollen in dieser Legislaturperiode die Stundentafel für die Grundschule um eine Stunde Deutsch erweitern.“ Für den noch besseren Einsatz des Grundwortschatzes erhalten die Grundschulen im Laufe des Schuljahres zudem eine umfassende Handreichung, in der neben dem gelingenden Schriftspracherwerb ein besonderer Schwerpunkt auf die korrekte Rechtschreibung gelegt wird.

Weiterer Ausbau der inklusiven Beschulung
Zur Umsetzung der schulischen Inklusion hat Hessen starke Anstrengungen unternommen. Im Vergleich zum Schuljahr 2013/14, in dem hessenweit insgesamt rund 4.000 Stellen für die Grundunterrichtsversorgung der Förderschulen und die sonderpädagogische Unterstützung der allgemeinen Schulen eingesetzt waren, stehen im neuen Schuljahr 2019/20 insgesamt 4.723 Stellen, davon 2.665 Stellen für die sonderpädagogische Unterstützung an allgemeinen Schulen, zur Verfügung.

Darin sind auch 210 zusätzliche Stellen für die Bildung der inklusiven Schulbündnisse (iSB) enthalten, die in den letzten drei Jahren hessenweit verbindlich eingeführt wurden. Zu Beginn des Schuljahres 2019/20 arbeiten alle Schulen vernetzt und kooperierend in den inklusiven Schulbündnissen. Zur Umsetzung der VN-Behindertenrechtskonvention (VN-BRK) gewährleistet Hessen durch das Konzept der inklusiven Schulbündnisse und durch seine Schulentwicklungsplanung, dass die Eltern die Wahl haben, welchen Förderort (Förderschule oder inklusive Beschulung an der allgemeinen Schule) sie für ihre Kinder mit Anspruch auf sonderpädagogische Förderung wünschen.

Ausblick: Novellierung des Lehrerbildungsgesetzes
Im beginnenden Schuljahr starten ebenfalls die Vorbereitungen für eine Novelle des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes (HLBG). Als neue Themenfelder der Lehrerbildung wird es dabei u.a. um eine Optimierung der Nachhaltigkeit der Lehrerbildung gehen und um eine systematisierte Kooperation von Universitäten, Studienseminaren und Schule gehen, um den ganzheitlichen Blick auf die Lehrerbildung zu stärken. Außerdem wird sich die Gesetzesnovelle an den vier Kompetenzbereichen der KMK orientieren. Und nicht zuletzt sollen die Themenbereiche stärker in die Lehrerbildung einfließen, die aufgrund von gesellschaftlichen Entwicklungen und Veränderungen in der Schullandschaft relevant geworden sind: die Integration von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache, Inklusion, Medienbildung und Digitalisierung, Lesen-Schreiben-Rechnen, sozialpädagogische Förderung, berufliche Orientierung und Ganztag.

Zum Abschluss dankte der Kultusminister allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Vorbereitung in den vergangenen Wochen und Monaten und wünschte den Schülerinnen und Schülern sowie ihren Lehrerinnen und Lehrern einen erfolgreichen Start ins neue Schuljahr.