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Letzte Aktualisierung: 16.04.2024

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Spirituelles Bali: Götter, Affen und Dämonen

Totenstille und leergefegte Straßen: Wenn Balinesen Neujahr feiern

von von Karin Willen

(02.03.2017)  Jedes Jahr im März verwandelt sich Bali in eine Geisterinsel. Warum auf Bali an einem Tag im Jahr Totenstille herrscht statt dass zweieinhalb Millionen Autos und Mopeds in chronisch verstopften Straßen knattern, das weiß die Tradition auf der Insel der Götter.

„Die Götter ändern sich nicht. Und solange sie noch in tausend Tempeln thronen, in jedem Fluss und Berg und Baum und Feld, so lange wird auch Bali sich nicht ändern. Die Insel lebt noch nach dem alten Gesetz, das unangetastet geblieben ist.“ Die Zeilen, die Vicki Baum 1937 in ihrem Roman „Liebe und Tod auf Bali“ schrieb, gelten trotz des Einzugs des Tourismus immer noch. Die hinduistische Enklave Bali im muslimischen Indonesien lebt mit ihren Göttern.

Jedes noch so kleine Haus hat seine eigenen Tempel, jede Scheune und jedes Reisfeld, jedes Geschäft und jede Behörde. Jeden Tag wird etwas geopfert. Kleine Körbchen aus Palmblättern mit Blumen, Ölen, Salz, Geld und etwas Essbarem sollen die Götter sanftmütig stimmen.


Kurz mal in den Tempel: Geopfert wird auf Bali nicht nur in den hauseigenen Wohnstätten der Götter
Foto: Karin Willen
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Und an Nyepi, dem balinesischen Neujahr steht auf der ganzen Insel der ganze Tag im Zeichen der Götter. Nyepi wird nach dem hinduistischen Saka-Kalender am Tag nach Neumond im März gefeiert. An diesem Feiertag müssen sich nicht nur gläubige Hindus, sondern auch Besucher 24 Stunden lang an strenge Vorschriften halten. Weder reisen noch arbeiten, stattdessen sind Ruhe und Meditation angesagt. Dekrete verbieten, am Neujahrstag Feuer zu machen und sich zu amüsieren: Totenstille auf der Insel der Götter statt zweieinhalb Millionen knatternder Autos und Mopeds in chronisch verstopften Straßen.

Noch am Vorabend hatten die Gamelanorchester alles gegeben, um die Dämonen aus allen Ritzen zu vertreiben. Xylofone klapperten hektisch, Bambusflöten sangen, Gonge schallten und Trommeln und Glockenspiele hämmerten. Die ganze Nacht feierten riesige Menschenmengen. Dazu tanzten Riesenfiguren aus Pappmaché mit schrecklichen Fratzen durch die Straßen. Knallkörper sollten sie vertreiben. − Bis die schrecklichen Gestalten im Morgengrauen in Flammen aufgingen. Um 6 Uhr in der Früh beginnt Nyepi, der totenstille Tag, an dem die Menschen mucksmäuschenstill sind. Die Dämonen, sagt man, sollen nämlich denken, Bali sei nicht bevölkert und weiterziehen.

Für die Einhaltung der Regeln sorgen die Pecalang, Religionspolizisten in schwarz-weißen Sarongs. Radio und Fernsehen sind abgeschaltet, die Fähren bleiben vertaut. Selbst der Flughafen von Denpasar stellt für 24 Stunden den Betrieb ein. Touristen können sich in den Anlagen der Hotels zwar frei bewegen, doch die Zimmer werden abgedunkelt, und die Restaurants servieren Gerichte, für die man den Herd nicht anschalten muss. Die Strände sind leer.


Affenleben auf Bali: Gott in Frankreich könnte es nicht besser haben
Foto: Karin Willen
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Wie die Affen im Affenwald in Ubud sich jetzt wohl fühlen? Niemand da, dem die frechen Langschwanzmakaken die Brille von der Nase reißen können, die Wasserflasche stibitzen oder sich etwas zu essen mopsen. Am balinesischen Neujahrstag haben sie die neun Hektar Wald mit den drei Tempelruinen aus dem 14. Jahrhundert ganz für sich allein.

Den legendären Wald, der Besuchermassen anzieht, erreicht man in der Inselmitte am Ende einer Marktstraße. Links und rechts reihen sich an Ständen Töpfe, Figuren und Schalen aus Holz. Doch an Nyepi ist kein Verkäufer zu sehen. Das Kassenhäuschen ist nicht besetzt. Heute bringen nur die Affen Leben in den Tag.


Eingang des Tempelbezirks im Affenwald: Hier führen die Affen das Regiment
Foto: Karin Willen
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Auf Bali werden die Affen respektiert, ganz gleich wie lästig sie sind. Im Hinduismus gelten sie als Nachkommen der Gottheit Hanuman. Sie wird oft in einem menschlichen Körper mit einem Affengesicht und einem langen Schwanz dargestellt und ist überall zu sehen.


Hanuman, die allgegenwärtige Gottheit auf Bali, hier als Eingangsskulptur zu einem Restaurant
Foto: Karin Willen
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Auch in einer weiteren Touristenattraktion, einem der Tempel, die den Wächtergöttern des Meeres geweiht sind und die Insel vor den bösen Wassergeistern beschützen sollen, kann man Hanuman erleben. Beim Pura Luhur Uluwatu, der spektakulär am Rand einer rund hundert Meter hohen Steilklippe thront und zu den ältesten Tempeln zählt, spielt Hanuman in einer Tanzaufführung nach dem Sonnenuntergang natürlich eine tragende Rolle. Der Kecak, Affentanz, erzählt die aus dem uralten Ramayana Epos stammende Geschichte von der Entführung der Prinzessin Sita. Es geht um Götter, Liebe, Intrige, Kampf – und am Ende gewinnt natürlich das Gute. Im Kampf gegen das Böse kickt Hanuman Feuerbälle durch die Luft und lässt die Funken sprühen. Dann tanzt er durch die Reihen und neckt die Zuschauer – liebenswürdigerweise nicht ganz frech so wie seine irdischen Nachkommen. Von deren Vandalismus zeugen zerbissene Kameraetuis, zerfetzte Baseballcaps und zertrümmerte Brillen am Küstenweg des Tempelbezirks.


Kecak, der Affentanz: Tanzaufführung beim Tempel Luhur Uluwatu
Foto: Karin Willen
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Doch am balinesischen Neujahr fehlen den Affen die Opfer, und die Ränge des Freilichttheaters bleiben leer. Morgen, nachdem sich die Menschen erfolgreich vor den Dämonen versteckt haben, werden wieder ein paar Brillen, Mützen und Wasserflaschen den Besitzer wechseln.

Tipp
Frauen, die auf Bali Tempel besuchen wollen, sollten die Reise mit ihrem Menstruationszyklus abstimmen.


Besuchsregeln für hinduistische Tempel: Menstruierende Frauen dürfen nicht hinein
Foto: Karin Willen
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Information
Visit Indonesia Tourism Office, c/o Global Communication Experts GmbH, Hanauer Landstraße 184 60314 Frankfurt www.tourismus-indonesien.de