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Letzte Aktualisierung: 28.03.2024

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Seltene spätgotische Figur Michel Erharts ab jetzt in der Liebieghaus Skulpturensammlung

Ernst von Siemens Kunststiftung erwirbt herausragende Maria Lactans für das Frankfurter Museum

von Ilse Romahn

(13.12.2018) Die Mittelalterabteilung der Liebieghaus Skulpturensammlung ist ab sofort um eine außergewöhnliche Figur reicher. Die Ernst von Siemens Kunststiftung konnte die Kleinplastik einer Stillenden Muttergottes (Maria Lactans) für das Frankfurter Museum erwerben.

Seltene spätgotische Figur Michel Erharts
Foto: Liebieghaus Skulpturensammlung
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Wie bei dem im vergangenen Herbst vorgestellten Christuskind handelt es sich um ein Werk des Ulmer Bildschnitzers Michel Erhart. Das ausgesprochen hochkarätige Stück aus der Zeit um 1490/95 bedeutet einen Sammlungszuwachs von allergrößter kunsthistorischer Relevanz, denn Ulmer Kleinskulptur ist selten. Noch seltener jedoch sind Kleinplastiken Michel Erharts. Die anmutige Mariengruppe gehört sicherlich zu den schönsten und qualitätvollsten Arbeiten dieses Künstlers – selbst wenn sie ihre Polychromie und damit viel ihrer ursprünglichen Intention und Wirkung eingebüßt hat. Besonders ist auch das Thema der stillenden Muttergottes, ein Sujet, das in der deutschen Bildhauerkunst im 15. Jahrhundert kaum dargestellt wird. In der Mittelaltersammlung des Liebieghauses war diese als Sinnbild wahrer Mutterschaft zu verstehende Darstellung bislang nur in Gestalt einer kleinen französischen Elfenbeinfigur aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts vertreten. Bei der in Holz geschnitzten Skulptur der Maria Lactans von Michel Erhart handelt es sich um eine der einfühlsamsten und anrührendsten Versionen des Motivs.  

Die Marienfigur war in der Forschung bislang weitgehend unbekannt. Zunächst galt sie als Arbeit Tilman Riemenschneiders, eine Einschätzung, die jedoch von der Riemenschneiderforschung nicht geteilt wurde. Als Werk Erharts wurde sie zu dieser Zeit nicht wahrgenommen, da die Erforschung des Ulmer Bildhauers und seines Œuvres noch am Anfang stand. Technologische Untersuchungen konnten nun allerdings zeigen, dass das Stück in der gleichen Werkbank bearbeitet wurde wie die um 1490/95 entstandene Büste der heiligen Barbara (Liebieghaus Skulpturensammlung). 

„Dass wir erneut ein Werk Michel Erharts vorstellen, ist Zufall, aber ein ungemein glücklicher! Denn mit diesem Stück erfährt unsere qualitätvolle Sammlung Ulmer Skulpturen der Spätgotik eine weitere herausragende und seltene Ergänzung“, freut sich Dr. Stefan Roller, Sammlungsleiter für das Mittelalter in der Liebieghaus Skulpturensammlung. 

„Mit dieser wunderbaren Marienfigur kann das Liebieghaus dank der großzügigen Zuwendung der Ernst von Siemens Kunststiftung seine Position in der ersten Reihe internationaler Skulpturensammlungen betonen. In keinem anderen Museum weltweit kann die lange Jahre vollkommen unterschätzte kunsthistorische Qualität und Bedeutung der kleinformatigen Skulptur Ulms in diesem Umfang und auf diesem hohen Niveau nachvollzogen werden“, so Liebieghaus Direktor Dr. Philipp Demandt.  

„Die Ernst von Siemens Kunststiftung ist glücklich, erneut einen so herausragenden Ankauf für das Liebieghaus ermöglicht zu haben. Mit seiner ikonografischen und künstlerischen Besonderheit ergänzt dieses außerordentliche Figürchen den mittelalterlichen Bestand des Hauses auf das Allerbeste“, meint Dr. Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung.