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Letzte Aktualisierung: 28.03.2024

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Schicksal in Händen

Carmen in Bregenzer Neuauflage

von Karl-Heinz Stier und Ingeborg Fischer

(10.04.2017) Carmen, die Oper um die leidenschaftliche Liebe und den spektakulären Stierkampf und Tod war das letzte Mal in den Sommern 1991/1992 auf der Bregenzer Seebühne. Schon damals verzeichnete das Opern-Festival einen Besucherrekord. Heuer nach der Wiederaufführung nach 25 Jahren erwartet die Festspielleitung mit einer neuen Inszenierung einen noch größeren Ansturm – wie Intendantin Elisabeth Sobotka auf einer Pressekonferenz in Frankfurt prophezeite.

Bildergalerie
Plakat für Carmen
Foto: Bregenzer Festspiele
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Intendantin Elisabeth Sobotka
Foto: Karl-Heinz Stier
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Festspieldramaturg Olaf A. Schmitt
Foto: Karl-Heinz Stier
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Szenenaufbau auf der Seebühne
Foto: Bregenzer Festspiele
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Rund zwei Drittel der für 28 Vorstellungen aufgelegten 193000 Carmen-Tickets sind derzeit schon gebucht (ohne Generalprobe und crossculture night). Wenn die Bregenzer Festspiele mit einer der weltweit beliebtesten Oper von Georges Bizets am 19. Juli in ihre 72. Saison startet, werden die meisten Besucher auch diesmal wieder aus Deutschland kommen. Nach einer Umfrage sind es 62 Prozent, gefolgt von Österreich (23 Prozent) und der Schweiz/Liechtenstein (13 Prozent).

Doch zurück zu Carmen 2017. Der dänische Regisseurs Kasper Holten hat das  Bregenzer Open-Air-Ereignis auf der Seebühne neu inszeniert. Er hatte mit seinen Inszenierungen an den weltweit großen Opernhäusern für Aufsehen gesorgt und war bis Ende März 2017 Intendant am renommierten Royal Opera House Convent Garden in London. Entscheidend ist neben dem Regisseur auch die Bühnenbildnerin Es Devlin, die zweite Frau, die für die Bühnengestaltung eines Spiels auf dem  See verantwortlich zeichnet. Intendantin Elisabeth Sobotka  hatte bei der Auswahl von beiden zweifellos ein glückliches Händchen.

Und was hat man sich diesmal an spektakulären Kunstwerken zum Thema und der Musik von Bizet auf dem See einfallen lassen, wenn Escamillo, Don Jose´ und Micaela von Liebe und Leidenschaft, Treue und Verrat singen  und Carmen die berühmte Habanera über den See schallen lässt und die Menschen in ihren Bann zieht („Die Liebe ist ein Zigeunerkind, hat niemals Gesetze gekannt, wenn Du mich nicht liebst, liebe ich dich. Wenn ich dich liebe, nimm dich in Acht!...“)?

Es sind zwei überdimensionale Frauenhände mit rot lackierten Fingernägeln, die rund 18 und 21 Meter aus dem Wasser hervorragen und an denen derzeit mit Hochdruck gearbeitet wird. Immens sind Maße und Gewichte: 20 und 24 Tonnen wiegen die rechte und linke Hand samt jeweiligem Unterarm, die von einer darunter liegenden mächtigen Stahlkonstruktion getragen werden - ungefähr so, wie menschliche Haut und Fleisch die Handknochen überziehen. „Das Bühnenbild muss den Geist eines Stückes erfassen. Die Hände zeigen und symbolisieren anhand eines Kartenspiels das Schicksal, das Carmen und andere Frauen im Zigeunerlager aus den Wahrsagekarten lesen können, aber auch das Hafenmilieu der Schmuggler und Outlaws“, so die Intendantin.

Musik aus Frankreich, der Heimat Goerges Bizets, und Spanien bestimmen auch die anderen Programme und Orchesterkonzerte der Bregenzer Festspiele. Festspieldramaturg Olaf A. Schmitt ist sich bewusst, dass die großen Seebühnen-Aufführungen mit jeweils über 7000 Sitzplätzen letztendlich Bregenz bekannt gemacht haben und so viel Geld einspielen, dass es dadurch möglich ist, im Festspielhaus, auf der Werkstattbühne und im Kunsthaus für ein kleineres, aber sehr interessiertes  Publikum Kleinode an Kunst anzubieten. Die Festspielleitung will hier einen Kontrapunkt für ein Liebhaberpublikum setzen.

Besonders stolz ist die Intendantin auf Wagners Ring der Nibelungen, der auf der Werkstattbühne aufgeführt wird, eingeschmolzen auf 90 Minuten, und hier sind die Protagonisten als Puppen auf ein Miniformat reduziert. Und diese winzige Opernwelt wird gespielt vom  Theaterkollektiv „Hotel Modern“ „Puppen können sogar mehr ergreifen als echte Schauspieler“, meint Sobotka. Wagners Götter und Helden agieren dort allerdings als Insekten: Raupen werden zu Schmetterlingen, Grashüpfer und Spinnentiere erzählen vom Fressen und Gefressenwerden, von Macht und Ohnmacht. Detailverliebt hat „Hotel Modern“ die Landschaft, Marionetten und Insekten-Puppen gebaut. Alles wird vergrößert auf einer Video-Wand gezeigt. Das Niederländische Bläserensemble spielt Wagners große Musik mit 21 Instrumentalisten.

Neben bemerkenswerten Orchesterkonzerten im Festspielhaus muss auch - unter anderem - Rossinis „Moses in Ägypten“, eine Oper mit alttestamentarischem Stoff, in den eine Liebesgeschichte eingebaut ist, herausgestellt werden. Die Oper wird von Enrique Mazzola dirigiert und im Festspielhaus aufgeführt.

Die Inszenierung von Yeal Ronen „The Situation“, die sich mit der politischen Lage im Nahen Osten und mit Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, befasst, bildet den Auftakt für eine jährlich fortgesetzte Schauspielreihe. In verschiedensten Sprachen (hebräisch, arabisch, englisch, deutsch) wird miteinander kommuniziert (Theater heute) und ist  zu sehen im Bregenzer Kornmarkttheater. Auch das Jugendprogramm crossculture nimmt Bezug auf Carmen. In „Töneschmuggler on tour“ beschäftigen sich Schüler und Schülerinnen der Musikschule Bregenz mit dem Thema Schmuggeln aus heutiger Perspektive.

Die Bregenzer Festspiele finden vom 19.Juli bis 20.August statt.

Carmen vom 19. Juli (Premiere) bis 20.August, Moses in Ägypten am 20. Juli (Premiere) und 23. und 31.Juli, To the Lighthouse am 16. August (Premiere) und 18. August, The Situation am 26. Juli (Premiere) und 27. Juli, Der Ring in 90 Minuten am 29. Juli (Premiere) und 30. Juli, Die Hochzeit des Figaro am 14. August (Premiere) und am 15., 17. und 19. August. Weitere Veranstaltungen wie Konzerte und crossculture stehen unter www.bregenzerfestspiele.com oder sind zu erfragen unter Telefon (0043)55744076.