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Letzte Aktualisierung: 19.04.2024

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Medeas Liebe und die Jagd nach dem Goldenen Vlies

Ausstellung im Liebieghaus Skulpturensammlung bis 10. Februar 2019

von Ilse Romahn

(10.10.2018) Die umfangreiche Sonderausstellung „Medeas Liebe und die Jagd nach dem Goldenen Vlies" in der Liebieghaus Skulpturensammlung erzählt vom 5. Oktober 2018 bis 10. Februar 2019 einen wichtigen Mythos der griechischen Sagenwelt: Es ist die Geschichte eines märchenhaften Abenteuers und einer großen Liebe, die in einem Verhängnis endet.

Bildergalerie
Medea hält das Schwert, mit dem sie ihre Kinder ermorden wird
Foto: Liebieghaus Skulpturensammlung
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Wandgemälde aus der Villa Arianna in Stabiae, 1. Jh. v. Chr.
Foto: Liebieghaus Skulpturensammlung
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Originale griechische und römische Skulpturen, Vasen, Bilder sowie Wandmalereien aus den Vesuv-Städten Pompeji und Stabiae illustrieren das Abenteuer von den Argonauten und die Liebe von Jason und Medea. Bedeutende Leihgaben, etwa aus dem British Museum in London, dem Museo Archeologico Nazionale in Neapel, dem Louvre in Paris oder den Vatikanischen Museen in Rom, lassen die Geschehnisse von der gefährlichen Schiffsexpedition des griechischen Prinzen Jason und der Argonauten über den Raub des Goldenen Vlieses bis zu den mörderischen Taten der Liebenden anschaulich werden.

Anlässlich des Auftritts der Republik Georgien als Ehrengast der diesjährigen Frankfurter Buchmesse werden im Rahmen der Ausstellung auch herausragende Bronze- und Goldobjekte aus dem Georgischen Nationalmuseum präsentiert. Die beeindruckenden, jahrtausendealten Schmuckstücke und andere Kostbarkeiten untermalen die uralte Schilderung von Medeas Heimat, der „goldreichen Kolchis". Die Gestaltung der bronzezeitlichen Waffen, Gefäße und goldenen Schmuckobjekte ist von außergewöhnlicher Schönheit und zeugt von besonderer Handwerkskunst. Darüber hinaus greift die Ausstellung „Medeas Liebe und die Jagd nach dem Goldenen Vlies" die neuesten Forschungen zu griechischen Mythenbildern, insbesondere zur Argonautensage, auf. Seit ihrer Auffindung 1885 ist die Deutung der berühmten Bronzen vom Quirinal, des sog. Faustkämpfers und des sog. Thermenherrschers, umstritten. Untersuchungen im Kontext der vom Liebieghaus betriebenen Polychromieforschung haben neue Erkenntnisse zur formalen und erzählerischen Gestaltung der beiden Bronzen erbracht und ihre Deutung als Darstellung eines der zentralen Abenteuer der Argonautensage bestätigt. Dadurch rückt die Gruppe in den Fokus des Ausstellungsprojektes, für das ein aufwendiger Nachguss der Statuen realisiert wurde.

„Seit tausenden von Jahren berührt die Figur der Medea die Menschen, den antiken Bürger ebenso wie uns heute. Durch den klassischen Tragödiendichter Euripides wurde sie in eine heute noch gültige Form gegossen. Kaum einer weiß jedoch, dass ihre Geschichte aufs engste geografisch mit dem heutigen Georgien verbunden ist. Wir freuen uns, nun in Zusammenarbeit mit der Republik Georgien den gesamten Ablauf von glücklichem Abenteuer und unglücklicher Liebe anhand bedeutender Bildwerke der Antike und des berühmten georgischen Goldschatzes nacherzählen zu können", führt Philipp Demandt, Direktor der Liebieghaus Skulpturensammlung, aus.

„Die griechischen Mythen erzählen vom Wirken der Götter und von den Abenteuern der Helden. In diesen Geschichten werden Erinnerung, aber auch philosophische Deutung des Lebens hinterlegt. Die Sage von den Argonauten und vor allem die tragische Entwicklung der Liebe zwischen Medea und Jason vermitteln besonders starke Bilder, deren Aktualität überrascht. Den Besucher mithilfe bedeutender antiker Kunstwerke auf eine Reise durch den Mythos schicken zu können, freut uns sehr", erläutert Vinzenz Brinkmann, Kurator der Ausstellung und Sammlungsleiter der Antikensammlung am Liebieghaus.

Die Ausstellung
Die Frankfurter Ausstellung „Medeas Liebe und die Jagd nach dem Goldenen Vlies" folgt der Dramaturgie des Mythos: eine abenteuerliche Expedition und die verhängnisvolle Liebe in acht Kapiteln. Zu Beginn berichten Vasen, Reliefs und Wandgemälde von der Vorgeschichte der antiken Sage. Sie zeigen Phrixos und Helle, die auf dem Rücken des Chrysomallos, eines fliegenden Widders mit goldenem Fell, vor ihrer Stiefmutter fliehen. Nur Phrixos jedoch erreicht sicher das ferne Kolchis, während seine Schwester Helle im Flug den Halt verliert und im Meer ertrinkt. In Kolchis angekommen befiehlt Chrysomallos, Phrixos solle ihn Zeus opfern. Sein goldenes Fell schmückt fortan den Wald im Heiligtum des Kriegsgottes Ares. Anschließend begegnet der Besucher dem Protagonisten des Abenteuers: Jason. Ein zentrales Meisterwerk der antiken Malerei, ein Wandgemälde aus Pompeji (um 10. n. Chr.), zeigt den Moment, in dem Jason in Iolkos zum ersten Mal seinem Stiefonkel Pelias begegnet, der Jasons Vater vom Thron vertrieben hat. Um sich Jasons zu entledigen, verspricht Pelias ihm die Krone, wenn er ihm aus Kolchis das Goldene Vlies bringe – eine nicht zu bewältigende Aufgabe. So begibt sich Jason auf die abenteuerliche Reise nach Kolchis, unterstützt von den Göttinnen Hera, Athena und Aphrodite. Athena etwa überwacht den Bau der Argo, eines Schiffes mit übernatürlichen Kräften. Ein Campanarelief (um 100 n. Chr.) aus dem British Museum zeigt die Göttin beim Befestigen des Segels. Begleitet wird Jason von Helden mit besonderen Begabungen – unter ihnen Herakles, der Sänger Orpheus, der Seher Mopsos, die geflügelten Brüder Zetes und Kalais sowie die Zeussöhne Kastor und Polydeukes. Auf ihrer Fahrt erleben die Argonauten zahlreiche Abenteuer, die anhand von griechischen Vasenbildern und Bronzekunstwerken anschaulich gemacht werden. So muss sich etwa Polydeukes dem gewaltigen König der Bebryker im Faustkampf stellen. Diese Begebenheit ist in den berühmten, lebensechten Bronzestatuen von Polydeukes und Amykos nachzuvollziehen, deren Rekonstruktionen in der Ausstellung erstmals präsentiert werden, ebenso wie in einem etruskischen Bronzespiegel (um 300 v. Chr.), der offensichtlich die Statuengruppe wiedergibt. Im zentralen Raum der Ausstellung finden sich die Besucher des Liebieghauses umgeben von ausdrucksstarken und eigenständigen Kunstwerken, kostbaren Gefäßen und bezauberndem Schmuck. Der sprichwörtliche Goldreichtum des fernen und märchenumwobenen Kolchis, dem auch die Argonauten bei ihrer Ankunft begegneten, wird hier unmittelbar erfahrbar. Der Mythos geht nun seinem Höhepunkt entgegen. Antike Vasen aus Athen und dem griechischen Süditalien berichten von der Liebe der kolchischen Königstochter Medea zu Jason und wie sie mithilfe ihrer Zauberkraft den Drachen einschläfert, der das Goldene Vlies bewacht, damit ihr Geliebter das kostbare Objekt an sich nehmen kann. Nach der Rückkehr in Iolkos beseitigt Medea den Widersacher Pelias durch List und Zauberkraft. Es sind seine Töchter, die ihn umbringen, da Medea sie glauben lässt, sie könnten ihren Vater zerstückelt in einem Kochkessel verjüngen. Die Kopie eines berühmten Reliefs aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. zeigt die Töchter des Pelias als Idealschönheiten. Im letzten Raum der Ausstellung findet der Mythos sein blutiges Ende. Medea und Jason fliehen nach Korinth, aus ihrer Ehe gehen zwei Söhne hervor. Doch Jason verlässt Medea, als ihm Kreon, der König von Korinth, seine Tochter und damit das Thronerbe anbietet. Medeas anfängliche Trauer wandelt sich in Wut und sie übt furchtbare Rache an Jason und seiner neuen Braut Kreousa. Zwei Vasen aus den Staatlichen Antikensammlungen in München und dem Pariser Louvre sowie Wandgemälde zeigen Medeas schreckliche Taten: sie schickt Kreousa ein Brautgewand, das beim Anlegen in Flammen aufgeht und die Braut bei lebendigem Leib verbrennen lässt. Schließlich tut Medea das Unfassbare und tötet ihre eigenen Kinder mit dem Schwert.

Georgiens Goldschatz
Es ist wenig verwunderlich, dass Georgien mit dem mythischen Königreich Kolchis und seinem legendären Goldreichtum in Verbindung gebracht wird, denn eine der ältesten Goldminen und Stätten der Goldverarbeitung wurde dort entdeckt. Neuere Forschungen beweisen die überragende Bedeutung der Goldgewinnung für die Kultur des frühen Georgien und belegen seinen Goldreichtum, der sich in der Geschichte vom Goldenen Vlies niederschlägt. So beschreibt die Argonautensage die glanzvollen Reichtümer, die sich beim Betreten des Königspalastes von Aietes, dem Vater der Medea, vor den Helden auftürmen. In dem griechischen Mythos spiegelt sich die historische und kulturelle Wirklichkeit der hochentwickelten kolchischen Gesellschaft und ihres Reichtums wider.

Forschung im Kontext der Ausstellung
Seit ihrer Auffindung 1885 in Rom ist die Deutung des sog. Faustkämpfers und des sog. Thermenherrschers, zwei der wenigen im Original erhaltenen griechischen Großbronzen, umstritten. Anfänglich wurden beide Bronzefiguren einer Statuengruppe zugeordnet. Später konstatierte man einen abweichenden Zeitstil und bestritt die Zusammengehörigkeit. Als man noch eine gemeinsame Herkunft der Bronzen annahm, schlug man für die Deutung der Figuren bereits eine Begebenheit aus der griechischen Argonautensage vor: Der griechische Held Polydeukes, Bruder des Kastor, besiegt im fernen Thrakien Amykos, den boxsüchtigen König der thrakischen Bebryker, im Faustkampf. Diese Deutung wurde mit guten Argumenten in den 1940er-Jahren durch die US-amerikanische Archäologie wieder aufgegriffen und untermauert. Die Untersuchungen im Kontext des Liebieghaus Polychromieprojekts haben neue Erkenntnisse zur formalen und erzählerischen Gestaltung der beiden Bronzen erbracht. Es kann nun in der Ausstellung gezeigt werden, dass der sog. Thermenherrscher Schwellungen an Gesicht und Ohren sowie an den Händen aufweist. Dies legt nahe, dass auch diese Statue eine Person zeigt, die gerade einen schweren Boxkampf gerungen hat. Ebenso ließen sich für den Faustkämpfer neue Erkenntnisse gewinnen: An seiner Brust haben sich Ritzungen einer „barbarischen" Körperbehaarung finden lassen. Dieses „ungepflegte" Körperhaar macht die Figur unzweideutig zur Darstellung eines Nichtgriechen. Durch die Bestätigung der Deutung der berühmten Bronzen vom Quirinal als Darstellung eines der zentralen Abenteuer der Argonautensage rückt die Gruppe in den Fokus der Ausstellung. Die soeben fertiggestellten spektakulären Rekonstruktionen der Statuen zeigen wichtige narrative Elemente, die die Erzählung um die Figuren Polydeukes und Amykos besonders anschaulich machen.

Eine Ausstellung der Liebieghaus Skulpturensammlung in Zusammenarbeit mit dem Georgischen Nationalmuseum anlässlich Georgiens Auftritt als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2018.


Liebieghaus Skulpturensammlung, Schaumainkai 71, 60596 Frankfurt am Main    www.liebieghaus.de

Eintritt: 10 Euro, ermäßigt 8 Euro, Familienticket 18 Euro, freier Eintritt für Kinder unter 12 Jahren
Kartenvorverkauf unter: tickets.liebieghaus.de

Katalog: Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog im Hirmer Verlag, herausgegeben von Prof. Dr. Vinzenz Brinkmann, mit Beiträgen von Vinzenz Brinkmann, Nino Lordkipanidze, Maria Michela Sassi, Ulrike Koch-Brinkmann und dem Team um Olimpia Colacicchi Alessandri und Marco Ferretti. Deutsche Ausgabe, ca. 208 Seiten, Museumsausgabe 34,90 Euro

Öffentliche Führungen durch die Ausstellung: donnerstags 19.00 Uhr und sonntags 16.00 Uhr, sowie 25.12.2018 und 1.1.2019, 16.00 Uhr.