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Letzte Aktualisierung: 16.04.2024

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In ländlicher Natur einer Keramikerin über die Schulter geschaut

zu „Kunst Offen“ Pfingsten 2019 in Woserin/Mecklenburg-Vorpommern

von Annchen Witt

(21.05.2019) Weites, grenzenloses Land, Farben und Gerüche betören die Sinne. Es ist faszinierend diese unverwechselbare Landschaft zu entdecken, sie zu erforschen und wirken zu lassen. Die weit verstreut liegenden Dörfer im authentischem Klinker-Baustil und die historischen Backsteinkirchen lassen auf eine vergangene Zeitepoche schließen. Zu einer Zeit, da der Mensch mit wenig Technik die Umwelt gestaltete und über Generationen hinweg die Traditionen seiner Vorfahren hegte und pflegte. Das was hier im ländlichen Raum noch heute viele Künstler inspiriert.

Bildergalerie
Weites Land
Foto: Annchen Witt
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Kirche in Woserin
Foto: Annchen Witt
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Katrin zeigt die Putzel am Gefäß
Foto: Annchen Witt
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Katrin Otolski mit den Seegerkegeln
Foto: Annchen Witt
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Fertig gebrannte Ware
Foto: Annchen Witt
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Deshalb sollten Besucher, die sich fürs Töpferhandwerk interessieren, eine Besichtigung bei Katrin Otolski in Woserin, einplanen. Sie lässt sich gern bei der Arbeit über die Schulter schauen, schildert die Verarbeitung des Tons, die Tradition des Töpferhandwerkes im Zeitraffer von den Anfängen bis ins Heute und zeigt Schritt für Schritt die gesamte Herstellung bis zum Brand.

Mitten im Brennprozess treffen wir die Keramikerin Katrin Otolski. Eigentlich ist sie im Moment viel zu beschäftigt, um noch auf neugierige Blicke und Fragen der kleinen Gruppe zu achten. Doch geschickt und sehr sympathisch bindet sie uns in ihre Arbeit ein und erklärt: „Die Stücke sind, wie in den Regalen auch, auf der Töpferscheibe gedreht, getrocknet und anschließend im lederharten Zustand dekoriert. Danach haben sie einen Überzug aus einer Kaolinengobe bekommen und werden getrocknet.“ Der größere Teil der glasierten Ware sei nun im Ofen eingeräumt. Denn aller drei Monate wird der Holzofen bestückt und zum Brand vorbereitet, was etwa eine Woche Zeit benötigt. Den Ofen dafür hat die Keramikerin selbst gebaut, zeitweilig unterstützt von zwei Studenten, den Schornstein bis einen Meter hoch. Dann habe sie lieber einen Profi herangelassen, ebenso bei der Einfassung mit Metall.  

Katrin Otolski zeigt auf kleine Knuppelchen am Gefäßboden und erklärt, dass nach dem Brand die Keramik dann leichter von den Brennplatten ab zu nehmen sei. Ohne diese Kügelchen, bestehend aus Quarzsand und feuerfestem Ton, würde die Keramik möglicherweise fest an der Unterlage kleben. Man nennt den Vorgang putzeln.

Am Ende wird die Öffnung mit zwei Schichten aus Hochisoliersteinen und schwerer Schamotte trocken zugesetzt und von außen verschmiert. Dazwischen kommen im oberen Bereich feuerfeste Matten, die sonst in der Industrie und Raumfahrttechnik verwendet werden. Die Masse besteht aus einem feuerfesten Ton, Quarzsand und feinen Sägespänen. Nach dem kompletten Einräumen wird die Türöffnung in zwei Schichten zugesetzt und mit feuerfestem Ton-Sandgemisch abgedichtet. Die Brandblumen, ein frisches Blumensträußchen ziert den Ofenrand. Das gehöre einfach zum Gelingen des Brandes dazu und habe nichts mit Aberglauben zu tun. „Jeder Holzbrenner hat sowieso seine eigenen Vorlieben für den Brennvorgang“, erzählt sie und legt währenddessen erneut große, sehr trockene Buchenholzscheite in den Brennofen, der nun 17 Stunden kontinuierlich mit Hartholz versorgt werden muss. Meist helfen Freunde oder Kollegen beim Brennen. Sie erklärt, wenn Asche auf die Gefäße fliege und schmelze, entstünden besondere Effekte auf der Glasur. Schöne Ascheanflüge, wie es in der Fachsprache heißt. „Ich könnte zum Beheizen auch Fichte oder Kiefer nehmen, doch damit würde ich nicht diese Anflüge erreichen, gerade die sind mir so wichtig“, erklärt Katrin Otolski. Für das Brennen werden 1300 bis 1320 Grad benötigt. Als „Zutaten“ kommen Meersalz, Backpulver und Soda in Kristallform hinein. Das darin enthaltene Natrium verbinde sich mit dem Quarz im Scherben, so die fachliche Bezeichnung für die geformte Mischung aus Mineralien und Beimengungen. „Keramik ist das erst, wenn alles fertig ist“, meint Otolski.

Ein Thermoelement neben dem Ofen zeigt die Lufttemperatur beim Brennen an. Die ist beim Aufheizen wichtig, die des Materials allerdings noch mehr. Dazu stehen an vier Stellen im Ofen so genannte Segerkegel, benannt nach dem Keramiker Hermann Seger (1839-1893), der sie entwickelte, um die Feuerfestigkeit verschiedener Materialien zu untersuchen. Die sogenannten Segerkegel sehen wie lange weiße Zähne aus, haben gestaffelte Schmelzpunkte und fallen bei Erreichung der notwendigen Temperatur einfach um. „Die Kegel müssen fallen, dann hat das Material die richtige Temperatur“, betont Otolski.

Durch kleine Schlitze seitlich könne das Brennen beobachtet werden. Wir versuchen die Töpferware zu erhaschen, was uns nur schwer gelingt.

Wir entdecken ein Buch, in das jegliche Veränderungen während des Brandes protokolliert werden, das sogenannte „LOG BOOK“.  

Nach Erreichen der Endtemperatur erfolgt eine Sturzkühlung.

Nachdem die Temperatur auf 900 Grad gefallen ist, werden mögliche Luftöffnungen abgedichtet. Jetzt heißt es 4 bis 5 Tage warten, bis der Ofen geöffnet werden kann und jedes Mal gibt es eine Riesenüberraschung. „Jeder Brand hat seinen eigenen Werdegang, seinen eigenen Verlauf und seine eigenen Ergebnisse“, weiß Keramikerin Katrin Otolski. „Bei einem Brand gibt es so viele Unwägbarkeiten und Risiken, doch steigt zugleich die Faszination. Schön ist es auch, wenn der Fuchs kommt“, sagt sie. Leider ist dieses Feuerspektakel aus Zeitgründen für uns nicht erlebbar, auch unser Wunsch zum „Super Brand“ verhallt, denn Katrin Otolskis Konzentration gehört dem Holzofen. Sie hofft auf Brennerfolg und wenig Risse in den Gefäßen.

Die Eigenwilligkeit des Feuers hinterlässt auf der Keramik seine eigene Handschrift haben wir gelernt und sind überzeugt, das dieses Handwerk zu den Tagen: „Kunst Offen“ viel Zuspruch findet.

Info: 19406 Woserin Lindenstraße 6

www.Keramikwoserin.de, Tel.: 038485/50540