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Letzte Aktualisierung: 19.04.2024

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Hollywoods Pakt mit dem Nationalsozialismus

Unveröffentlichte Dokumente enthüllen, wie die Nazis die US-Filmindustrie beeinflussten

von Dr. Theodor Kissel

(24.03.2017) Dass der Zweck die Mittel heiligt, ist nicht erst eine Erkenntnis unserer Tage – zumeist wenn Geld im Spiel ist und seinetwegen die Moral auf dem Altar finanzieller Interessen geopfert wird.

Eine böse Sache: Die Geschäfte Hollywoods mit den Nazis.
Foto: Foto: Theiss-Verlag
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Diese anthropologische Konstante zeigt der amerikanische Historiker und Junior-Fellow an der angesehenen »Society of Fellows« der Harvard University, Ben Urwand in seinem jetzt auf Deutsch erschienenen Buch »Der Pakt. Hollywoods Geschäfte mit Hitler« (amerikanische Originalausgabe: Collaboration. Hollywood’s Pact with Hitler, 2013) am Beispiel von Hollywoods Filmindustrie in den 1930er Jahren auf.

Zwar ist mittlerweile hinlänglich bekannt, dass sich US-amerikanische Filme im Deutschland der 1920-erJahre großer Beliebtheit erfreuten, und Adolf Hitler ein besonderes Faible für Mickey Mouse-Filme hatte. Dass allerdings Hollywood mit Nazi-Deutschland gemeinsame Sache machte und die Nationalsozialisten bis kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs erheblichen Einfluss auf die Filmproduktion Hollywoods nahmen, ist – von ganz wenigen Fachhistorikern ausgenommen – einer breiten Öffentlichkeit unbekannt.

Anhand von bisher unveröffentlichten Dokumenten zeigt der Autor, ein in Australien geborener Nachfahre ungarischer Juden, ebenso faszinierend wie fesselnd auf, mit welchen Mitteln das geschah und wie Paramount, Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) und 20th Century Fox den Kotau vor den Nationalsozialisten machten. Die großen Studios Hollywoods hatten sich mit dem Reichspropagandaministerium in Berlin dahingehend arrangiert, keine Filme zu produzieren, die das Ansehen der Nationalsozialisten beschädigten oder die Judenverfolgung thematisierten. Der Grund war einfach, so Urwand: »Hollywoods Film-Bossen war der Profit wichtiger als die Moral – und das obwohl fast alle Juden waren«.

Um ihre finanziellen Interessen auf dem deutschen Markt zu schützen, ging Hollywoods Filmindustrie sogar noch einen Schritt weiter: Ohne Not zensierten sie Filme, entließen jüdische Mitarbeiter oder realisierten unerwünschte Projekte erst gar nicht. Wie das konkret funktionierte, zeigt Urwand sehr anschaulich am Beispiel der Verfilmung des dritten und letzten Bandes der Trilogie von Erich Maria Remarques Drei Kameraden. Der Roman erzählt die Geschichte von drei Kriegsveteranen, die in den späten 1920er Jahren in Deutschland ums Überleben kämpfen und hoffnungslos scheitern. Dem deutschen Konsul in den Vereinigten Staaten, Georg Gyssling, der als verlängerter Arm des Reichspropaganda-Ministeriums in Berlin agierte, war diese »undeutsche und für die nationalsozialistische Bewegung höchst imageschädigende Produktion« ein Dorn im Auge. Vor allem auch deswegen, weil der Film in einer Zeit spielte, in der die Nationalsozialisten bereits als eine bedeutsame politische Kraft in Erscheinung getreten waren, und dieser aus Sicht der Nazi-Ideologen Deutschland in ein negatives Licht rücken würde.

Kenntnisreich und spannend erzählt Urwand, wie Gyssling alle Hebel in Bewegung setzte, um das in seinen Augen »schädliche Machtwerk« zu torpedieren. Wie schon mehrfach bei anderen Produktionsgesellschaften praktiziert, verfasste er scharfe Noten, in denen er forderte, Änderungen am Drehbuch vorzunehmen. Und wenn das alles nichts nutzte, so Urwand, »packte der deutsche Konsul die Profit-Keule aus« und drohte MGM-Chef Mayer ganz unverhohlen damit, dass eine »derartige Leinwandadaption enorme Schwierigkeiten unter dem Gesichtspunkt des Vertriebsgeschäfts Ihrer Firma in Deutschland« nach sich zöge. Aus Angst, das Vertriebsgeschäft in Deutschland erleide finanzielle Einbußen auf dem lukrativen Filmmarkt in Hitlers Reich, knickte MGM ein.

Im Mai 1938 wurde Gyssling in die Vorführräume von MGM eingeladen, den um zahlreiche Zensuren abgeänderten Film zu begutachten. Dieser zeigte sich hoch zufrieden: Die Handlung des Films war auf das Jahr 1920 zurückdatiert und alle Bezugnahmen auf die Nazis (Hakenkreuze, Bücherverbrennungen) entfernt worden. Die nun vorliegende »Light-Version«, die weder Angriffe auf die Nazis enthielt noch die Juden erwähnte, fand des Konsuls Zustimmung, MGM gab den Film frei.

Wer verstehen will, wie es den Nationalsozialisten gelang, Einfluss auf die Filmproduktionen in den Hollywood-Studios zu nehmen, der findet in dem packend geschriebenen und gut recherchierten Buch von Urwand passenden Antworten. Eine weitere Erkenntnis des Buches liegt darin, dass Geld schon damals eine zentrale Rolle in Hollywood spielte. Erst als kein Geschäft mehr mit Nazi-Deutschland zu machen war, wurden in Hollywoods Filmstudios Anti-Nazi-Filme produziert.

Ben Urwand: Der Pakt. Hollywoods Geschäfte mit Hitler,
Theiss Verlag, Darmstadt 2017, 320S., 29,95 €.

Der Rezensent Theodor Kissel ist promovierter Althistoriker, Sachbuchautor und Wissenschaftsjournalist; er lebt in der Nähe von Mainz.