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Letzte Aktualisierung: 17.04.2024

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OB: ‚Das neue Stadthaus kann ein Ort spannender Debatten werden‘

Veranstaltungsreihe Jüdisch-Politisches Lehrhaus ist gestartet

von Ilse Romahn

(09.03.2017)  Oberbürgermeister Peter Feldmann: „Mir ist es eine Herzensangelegenheit, die Veranstaltungsreihe ‚Jüdisch-Politisches Lehrhaus‘ an diesem Ort zu eröffnen und von Anfang an zu fördern. Zu Frankfurt gehört der Diskurs, und dieses Stadthaus hat das Potenzial, der neue Ort dafür zu werden. Ich wünsche mir den offenen Austausch aller weltanschaulichen Richtungen in unserer Stadt. Dazu gehört die Tradition des Jüdisch-Politischen Lehrhauses. Am Jüdischen Lehrhaus in Frankfurt wirkten prominente Köpfe wie Martin Buber, Ernst Löwenthal und Siegfried Kracauer ebenso wie die jüdische Feministin Bertha Pappenheim und die Philosophin Margarete Susman. Sie alle haben zugleich das intellektuelle Leben Frankfurts mitgestaltet. Es ist eine stolze, es ist auch eine jüdische Tradition. Ob Börne, um gleich den berühmtesten Namen aus den Anfängen des kritischen und demokratischen Denkens in Deutschland zu nennen, ob Sonnemann, der legendäre Gründer der Frankfurter Zeitung und sein Enkel Heinrich Simon, der aus dieser Zeitung ein politisch waches und geistig-intellektuelles Forum machte. Ob Hugo Sinzheimer, der an der Weimarer Verfassung mitschrieb und als Vater des deutschen Arbeitsrechts gilt: Sie alle haben in Frankfurt etwas vom politischen Geist des Judentums eingebracht und damit an der demokratischen Tradition unserer Stadt mitgewirkt. An diese Tradition mit der Veranstaltung des Jüdischen Lehrhauses anzuknüpfen macht mich stolz. Mein Dank gilt Rabbinerin Klappheck, sie hat diesen erfolgreichen Auftakt ermöglicht.“


OB Peter Feldmann spricht bei Veranstaltungsreihe ‚Jüdisch-Politisches Lehrhaus‘
Foto: Salome Roessler
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Rabbinerin Elisa Klapheck: „Wenn im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe über die jüdische Tradition gesprochen wird, dann muss das Label ‚jüdisch‘ beziehungsweise das, was als ‚Judentum‘ bezeichnet wird, bestimmten Kriterien genügen. Die jüdische Tradition ist nicht das Alte Testament – also die Bibel minus das Neue Testament, sondern die Folge eines dialektischen Prozesses zwischen dem, was Gott der Bibel zufolge will, und der kritischen Auseinandersetzung damit von Seiten der Menschen.

Diese Auseinandersetzung hat in der Antike die rabbinische Diskussionskultur geleistet. Ihr wichtigstes Werk ist der Talmud, der im 6. Jahrhundert fertig gestellt wurde. Die talmudischen Rabbinen haben das, was Gott in der Tora will, ernst genommen – und zugleich haben sie es, an der gesellschaftlichen Wirklichkeit, mit der sie zurechtkommen mussten, gewogen. Damit schufen sie eine religiöse Tradition, die von vornherein, weil sie von der weltlichen Wirklichkeit her argumentiert, auch säkular ist.“

In seinem Vortrag sah Hauke Brunkhorst den Ursprung der jüdisch-politischen Tradition in der monotheistischen „Umbuchung“ des Königtums auf Gott. Damit wurde der politische König desakralisiert und die Heilsvorstellungen auf den monotheistischen Gott übertragen. Mit dieser neuen Spannung zwischen Politik und Heil begann, wie Rabbinerin Klapheck in der Diskussion hervorhob, die altisraelitische politische Tradition. Micha Brumlik zeigte anhand der talmudischen Geschichte über das Mehrheitsvotum gegen Rabbi Elieser, wie das Spannungsverhältnis zu einer inneren Demokratisierung des Rabbinerkollegiums führte.

Bezogen auf die heutige Auseinandersetzung zwischen Religion und Politik wurde anhand von talmudischen Zitaten gezeigt, dass die jüdisch-politische Tradition Prinzipien formulierte, um die Religion in der Beziehung zur politischen Wirklichkeit weiterentwickeln zu können.