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Letzte Aktualisierung: 24.04.2024

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Grenzenloses Urlaubsgefühl: Barrierefreies Reisen in Hessen

von Ilse Romahn

(06.11.2016)  Barrierefreiheit wird auch im Tourismus immer wichtiger. Erstmals steht daher auch der Welttourismustag der Welttourismusorganisation (UNWTO) unter dem Motto „Tourismus für alle! Die allgemeine Zugänglichkeit fördern“.

In Deutschland ist in den letzten Jahren die Nachfrage nach barrierefreien Reisen kontinuierlich gestiegen und durch den demografischen Wandel wird diesem Marktsegment ein großes Zukunftspotenzial bescheinigt. Mit Hilfe des bundesweiten Kennzeichnungssystems „Reisen für Alle“ können Menschen mit Handicap, Senioren und Familien mit kleinen Kindern bei ihrer Reisevorbereitung deutschlandweit auf einheitlich geprüfte Informationen zugreifen. In Hessen gibt es derzeit insgesamt 20 touristische Angebote, die nach dem System überprüft und zertifiziert sind. Dazu gehören unter anderem sechs Hotels, ein Campingplatz sowie ein Ferienhausanbieter. Darüber hinaus sind auch die Tourist Informationen im Frankfurter Hauptbahnhof, die Tourist Informationen in Wiesbaden, Darmstadt, Hilders, Zwingenberg und der Wasserkuppe sowie das Hünfelder Kegelspielhaus und der Via Regia Treffpunkt in Rasdorf als barrierefrei zertifiziert. Bis zum Ende des Jahres soll die Zahl auf über 40 steigen. Aber auch ohne formale Zertifizierung reagieren die Anbieter auf die Entwicklung und bieten bereits eine ganze Reihe von touristischen Angeboten für behinderte beziehungsweise mobilitätseingeschränkte Menschen. Unter www.hessen-tourismus.de stellt die HA Hessen Agentur GmbH einige Anbieter für barrierefreies Reisen in Hessen vor.

„Reisen für Alle“ zertifizierte barrierefreie Hotels in Hessen
Das Hotel im Kornspeicher in Marburg ist bereits im Juli 2014 als eines der ersten Häuser in Deutschland durch einen zertifizierten Erheber evaluiert und mit der einheitlichen Kennzeichnung im Bereich Barrierefreiheit – „Reisen für Alle“ ausgezeichnet worden. Das Hotel, dessen Träger die Sozialhilfe Marburg ist, versteht sich als integratives Hotel, die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben liegt den Verantwortlichen am Herzen. Das gesamte Hotel inklusive Außenbereich ist barrierefrei. Darüber hinaus ermöglichen ein Leitsystem im Hotel und Leitmarkierungen im Außenbereich blinden und sehbehinderten Menschen die Orientierung. Ebenfalls einen integrativen Ansatz verfolgt das Tagungs- und Freizeithaus Frankenauer Hof in Frankenau unweit des Nationalparks Kellerwald-Edersee. Neben der Barrierefreiheit ist in beiden Häusern eine langjährige Erfahrung mit den speziellen Wünschen behinderter Menschen gegeben. Das Landgasthaus „Zur Birke“ im Naturpark Vogelsberg ist als Drei-Sterne-Hotel klassifiziert und teilweise barrierefrei für Menschen mit Gehbehinderung. Alle für den Gast nutzbaren Räume sind ebenerdig oder per Aufzug zu erreichen. Das Fuldaer Hotel Platzhirsch verfügt über fünf barrierefrei konzipierte Zimmer, die mit einem elektrisch verstellbaren Bett und einem Notrufknopf ausgerüstet sind. In Lorch im Rheingau macht das Hotel Im Schulhaus „Reisen für Alle“ möglich. Seit April 2015 gehört das Drei-Sterne-Hotel zu den ausgezeichneten Betrieben für Gäste mit eingeschränkter Mobilität. Alle Zimmer im Erdgeschoss sowie im ersten und zweiten Obergeschoss sind barrierefrei zugänglich. Im Erdgeschoss gibt es zusätzlich ein Zimmer, das speziell für Gäste mit Behinderung realisiert wurde. Ebenfalls über Drei-Sterne verfügt das Hotel Deutscher Hof in Kassel, welches teilweise barrierefrei für Menschen mit Gehbehinderungen ist.

Barrierefreies Campen in Hessen
Der Rhön-Camping Park ist der erste hessische Campingplatz, der für Menschen mit Gehbehinderung gut zugänglich ist. Direkt am Fuße der 950 Meter hohen Wasserkuppe befindet sich der Rhön Camping-Park, eine kleine, familiär geführte Anlage im Herzen der Hohen Rhön. Der mit fünf Sternen ausgezeichnete Park verfügt unter anderem über stufenlos zugängliche Toiletten. Die ebenfalls barrierefrei zu erreichende Spülküche mit Spül- und Kochgelegenheiten und eine Waschküche sind in einem eigenen Gebäudeteil untergebracht. Nach 2015 ist der Rhön Camping-Park auch 2016 durch die Nutzer von www.camping.info in die TOP 100 der beliebtesten Campingplätze Europas gewählt worden und belegt Platz 58 von 24.893 bewerteten europäischen Campinganlagen.

Erster Gastronomiebetrieb als barrierefrei zertifiziert
Mit dem Restaurant „Zum Nashorn“ im Augustinum Kassel am Fuße des Habichtswaldes wurde im August 2016 der erste reine Gastronomiebetrieb als barrierefrei für Menschen mit Gehbehinderung zertifiziert. Im Restaurant stehen 14 unterfahrbare Tische zur Verfügung und in den Sanitärbereichen sind hochklappbare Haltegriffe angebracht. Auch Assistenzhunde dürfen mitgebracht werden – in Restaurants keine Selbstverständlichkeit. Das Restaurant zählt zur Kooperation „Hessen à la carte“ – Deutschlands älteste regionale Qualitätsgemeinschaft. Gäste werden hier mit regionalen und saisonalen Köstlichkeiten sowie innovativen Gerichten verwöhnt.

Barrierefrei: Wissens- und Erlebniswelt „wortreich“
Das „wortreich“ im nordhessischen Bad Hersfeld ist komplett barrierefrei. So können auch Menschen mit Gehbehinderungen und Rollstuhlfahrer die rund 90 Mitmach-Stationen der Wissens- und Erlebniswelt für Sprache und Kommunikation erkunden: Mit Buchstaben Basketball spielen, mit den Augen schreiben, einen Ball nur mit Kraft Ihrer Gedanken bewegen und vieles mehr. Die drei Etagen des „wortreich“ sind mit einem Lift verbunden und zwischen Kapitel vier und fünf befindet sich ein Treppenlift zur Überwindung von ein paar wenigen Stufen. Für ausreichend Sitzgelegenheiten in der Ausstellung ist gesorgt. Im Erdgeschoss befindet sich außerdem unmittelbar am Eingang eine behindertengerechte Toilette.

Barrierefrei unterwegs in und rund um Bad Sooden-Allendorf
Im nordhessischen Bad Sooden-Allendorf sind viele Gebäude, Verkehrsmittel und Freizeitangebote barrierefrei. Die Stadt hat extra einen Stadtplan aufgelegt, der über alle barrierefreien Angebote informiert. Kurgäste und Touristen sehen so auf einen Blick, wo sie sich ohne Hindernisse bewegen können. Außerhalb der Kurstadt hat der Naturpark Meissner-Kaufunger Wald den barrierefreien Wanderweg Rebbes eingerichtet. Auf dem 3,8 Kilometer langen Rundweg gibt es viele Ruhebänke und nur geringe Steigungen, weshalb der Weg auch für Rollstuhlfahrer (mit Begleitperson) und Familien mit Kinderwagen geeignet ist.

Mit dem Scooter die Faszination Wildnis im Nationalpark Kellerwald-Edersee erleben
Der Nationalpark Kellerwald-Edersee bietet Rollstuhlfahrern und Menschen, die keine langen Wanderstrecken bewältigen können, die Möglichkeit, seine Wildnis mit dem Elektro-Scooter zu erkunden. Der Elektro-Scooter kann kostenfrei im NationalparkZentrum ausgeliehen werden. Von dort aus können Gäste selbstständig die nahgelegene, barrierefreie Hagenstein-Route befahren. Die fast sechs Kilometer lange Tour führt zu den knorrigen Eichen- und Buchenwäldern des Hagensteins. Ein besonderes Erlebnis ist die einzigartige Aussicht auf das Edertal von der „Loreley des Edertals“ aus. Die naturnah gestaltete Aussichtsrampe ist auch für Rollstuhlfahrer geeignet. Der Nationalpark bietet auch regelmäßig Führungen zum Hagenstein an. Die etwa zweieinhalbstündigen Touren sind ausdrücklich für aktive Rollstuhlfahrer und Familien mit Kinderwagen geeignet. Die Teilnahme ist kostenlos.

Fritzlar räumt Hindernisse aus dem Weg
Die Dom- und Kaiserstadt Fritzlar an der Deutschen Märchenstraße hat für Gäste mit körperlichen Einschränkungen alle Hindernisse in der mittelalterlich geprägten Altstadt „aus dem Weg geräumt“. So wurden barrierefreie Wege geschaffen und Zugänge, beispielswiese zum Dom oder zum Hochzeitshaus, stufenlos umgebaut. Für Gäste mit Mobilitätseinschränkungen sind spezielle Stadtrundgänge ausgearbeitet worden, die barrierefrei oder leicht zugänglich sind. Und für Besucher, die blind sind oder Einschränkungen beim Sehen haben, macht die Stadtführergilde die Stadt hörbar und ihre architektonischen Besonderheiten greifbar. Für Gehörlose und Menschen mit Hörschädigungen werden einige Führungen in Gebärdensprache übersetzt.

Willingen: Ohne Hindernisse hoch hinaus
Das nordhessische Willingen ist als wichtiger Standort für den Wintersport bekannt und hat vor allem durch das jährlich stattfindende Weltcup-Skispringen an der Mühlenkopfschanze internationale Bekanntheit erlangt. Die Berge in der Umgebung sind durchschnittlich 800 Meter hoch, der höchste Aussichtspunkt liegt in 875 Metern Höhe. Auch für Rollstuhlfahrer ist der Besuch von Willingens Hausberg und seinem Aussichtsturm kein Problem: Denn die Zugänge zur Bergbahn und zum Turm sind allesamt barrierefrei. Rampen und Wege, die Kabinen der Seilbahn und der Aufzug zur Aussichtsplattform des Hochheideturms sowie die Zugänge zu den Gastronomiebetrieben an der Berg- und Talstation sind allesamt barrierefrei. Von der Aussichtsplattform des Hochheideturms auf dem Ettelsberg sind an klaren Tagen spektakuläre Fernblicke möglich. Auch der Speichersee, der sich ganz in der Nähe des Hochheideturms befindet, kann mit dem Rollstuhl umfahren werden, hier wird allerdings Begleitung empfohlen.

Entdeckungstour für Blinde im Naturpark Habichtswald
Eine Entdeckungstour speziell für Sehbehinderte und Blinde hat der Naturpark Habichtswald im Programm. Die etwa dreistündige Tour führt durch den Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel, der zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Gemeinsam mit einer Naturparkführerin geht es darum, die Natur mit fast allen Sinnen zu entdecken – Gehölze und Rinden mit den Fingern erforschen, Blüten- und Pflanzenduft wahrnehmen und die Herkunft von Geräuschen der Natur ergründen: So soll die Führung zum Naturerlebnis werden. Außerdem erfahren die Teilnehmer vieles über den Bergpark und seine Entstehung. Eine Begleitperson oder der sichere Umgang mit dem Blindenstock sind empfehlenswert. Im Naturpark Habichtswald gibt es auch eine Naturparkführerin, die in Gebärdensprache ausgebildet ist und ihre Führungen für hörgeschädigte Teilnehmer anbietet. Für Rollstuhlfahrer oder Gehbehinderte ist im Naturpark das Wandern mit der Joëlette möglich. Der einrädrige Geländerollstuhl – eine Kombination aus einer Schubkarre und einer Sänfte – ermöglicht mit Hilfe von drei Begleitern eine Wanderung in unwegsamem Gelände.

Hessisch Lichtenau: Virtuelle Führung auf dem Frau Holle Rundweg
Frau Holle ist der Sage nach am Hohen Meißner zu Hause. Hessisch Lichtenau liegt am Fuße des Bergmassivs und versteht sich als Tor zum Frau Holle-Land. Die Märchen- und Sagengestalt wird hier auf vielfältige Weise erlebbar – auch für Gehörlose. So gibt es für den Frau Holle-Rundweg eine virtuelle Führung, die auch in Gebärdensprache zur Verfügung steht. An den zwölf Stationen des Rundweg informieren kurze Videos über die unterschiedlichen Bedeutungen von Frau Holle und den Bezug zu Hessisch Lichtenau. Die Videos sind auf dem Rundweg über einen QR-Code abrufbar.

Tastmodelle für blinde und seheingeschränkte Besucher im Hessischen Landesmuseum Darmstadt
Das Hessische Landesmuseum Darmstadt ist auch für blinde und seheingeschränkte Besucher ein Museum mit allen Sinnen. Mit Hilfe von tastbaren Reliefs, die in den Rundgang integriert sind, ist das Museum auch für sie erfahrbar. Als eines der ersten Museen in Deutschland ermöglicht das Hessische Landesmuseum Darmstadt (HLMD) dieser Zielgruppe den barrierefreien Besuch einer Dauerausstellung und unterstützt damit eine selbständige Auseinandersetzung mit den Kunstwerken. Die Tastbilder stellen für blinde und seheingeschränkte Besucher ein besonderes und individuelles Kunsterlebnis dar, da sie zur haptischen Erfahrung einladen. Mit Hilfe von modernster Technik werden zweidimensionale Bildinformationen aus Gemälden in die Dreidimensionalität übersetzt. Für jede Übersetzung eines Kunstwerks in ein Tastmodell wurde eine individuelle Lösung gefunden, je nach Form und Inhalt des Originals. Der auf die Tastmodelle abgestimmte multimediale Audio-Guide liefert hierzu unterstützende Bildbeschreibungen. Das HLMD hat in enger Kooperation mit dem Behindertenbeauftragten der Stadt Darmstadt und der Berufsfachschule Holz-Elfenbein in Michelstadt sechs Tastmodelle entwickelt. Blinde und seheingeschränkte Testpersonen waren intensiv daran beteiligt.

Bad Nauheim für Blinde und Sehbehinderte
Erstmals bietet die hessische Kurstadt Bad Nauheim eine Führung für Blinde und Sehbehinderte an. Am 29. Oktober 2016 findet um 14 Uhr eine öffentliche Führung statt. Dabei werden die Sinne Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen angesprochen. Während der Führung können die Besucher das (Sole)Wasser in vielfältiger Weise erleben oder am großen Sprudel des Jugendstilbades die Wärme des Wassers erfühlen sowie den hessischen Löwen, die Mosaiksteinchen und Fliesen in den Badehäusern ertasten. Treffpunkt ist an der Tourist-Information. Sonderführungen für Gruppen sind auf Anfrage ebenfalls zu buchen.

Neue Broschüre „Wetzlar – Für Menschen mit Behinderungen“
Wetzlar mit möglichst wenigen Einschränkungen zu entdecken ist das Thema einer neuen Informationsbroschüre der Tourist-Information Wetzlar, die in Zusammenarbeit mit dem Behindertenbeirat der Stadt Wetzlar entstanden ist. Die Zielgruppen der Broschüre „Wetzlar – Für Menschen mit Behinderungen“ sind zum einen Menschen mit Geh-, Hör- und Sehbehinderungen, zum anderen bietet sie aber auch nützliche Hinweise für Senioren mit eingeschränkter Mobilität. Inhalt der Broschüre ist das vielfältige Angebot aus Sehenswürdigkeiten, Gastronomie und Hotellerie. Durch eigens für diese Broschüre erstellte Signets, werden die Angebote und ihre Eignung für die verschiedenen Behinderungen herausgestellt. Auch die Stadtführungen in Wetzlar wurden im Hinblick auf die Durchführbarkeit innerhalb der Zielgruppen unter die Lupe genommen. Um die Sammlung der Angebote zum barrierefreien Reisen zu komplettieren, wird die Broschüre ergänzt durch nützliche Informationen wie Parkmöglichkeiten, ÖPNV, Freizeittipps und die Erreichbarkeit von Veranstaltungsstätten. Die Stadt bietet außerdem eine Altstadtführung auf einem Audioguide für gehörlose Menschen an: Die Informationen zur historischen Altstadt werden auf einem Bildschirm in Gebärdensprache gegeben. Der Audioguide ist in der Tourist-Information erhältlich und kann dort gegen einen Kostenbeitrag von vier Euro ausgeliehen werden.

Weitere Informationen und Tipps zum barrierefreien Urlaub in Hessen finden Interessierte unter http://www.hessen-tourismus.de/reiseplanung/barrierefreies-reisen/grenzenloses-urlaubsgefuehl-barrierefreies-reisen-in-hessen