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Letzte Aktualisierung: 28.03.2024

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Stehende Ovationen für einen großen Schauspieler

Klaus Maria Brandauer beim Hessischen Filmpreis in der Alten Oper geehrt

von von Michael Hörskens

(23.10.2016)  Was 1994 in einem Wiesbadener Kino begann, ist heute zu einem großen Abend im Rahmen der Frankfurter Buchmesse herangewachsen. In der ehrwürdigen Frankfurter Alten Oper wurde auch in diesem Jahr der Hessische Film- und Kinopreis für herausragende künstlerische Leistungen vergeben. Die Preisträger wurden von einer mehrköpfigen Jury ausgewählt. Höhepunkt der Veranstaltung war diesmal die Verleihung des Ehrenpreises des Hessischen Ministerpräsidenten an den österreichischen Schauspieler Klaus Maria Brandauer. Am Ende der Gala in der Alten Oper erhoben sich die Gäste von ihren Sitzen: Ovationen für einen ganz Großen des Filmgeschäfts.


Klaus Maria Brandauer, der den Ehrenpreis des Hessischen Ministerpräsidenten erhielt, erschien in der Alten Oper mit Regisseur István Szabó (li.)
Foto: Fiona Hörskens
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„Klaus Maria Brandauer ist einer der herausragenden deutschsprachigen Theater- und Filmschauspieler der letzten 35 Jahre. Er nennt eine erstaunliche schauspielerische Vielfalt sein eigen, die er mit einer einnehmenden Präsenz verknüpft, mit der er sein internationales Publikum begeistert“, begründete Ministerpräsident Volker Bouffier seine Entscheidung. „Klaus Maria Brandauer hat ein Gesamtkunstwerk geschaffen, vor dem ich mich zutiefst verneige.“ Das tat er jedoch an diesem Abend nicht persönlich vor Ort. Aus unbekannten Gründen blieb Bouffier der Veranstaltung fern. Was auf so manche Besucher der Gala und wohl auch den geehrten Schauspieler befremdete.

Mit dem Film „Mephisto“, entstanden nach einer gleichnamigen Romanvorlage von Klaus Mann, hatte Brandauer 1981 seinen Durchbruch zum Leinwand-Weltstar geschafft. Der Streifen von Regisseur István Szabó, der bei der Preisverleihung in der Alten Oper ebenfalls anwesend war, erhielt 1982 den Oscar für den besten fremdsprachigen Film. Brandauer spielte in Mephisto die Hauptrolle: den ehrgeizigen Schauspieler Hendrik Höfgen, der sich den Nazis anbiedert.

Vorlage für die Figur war in Klaus Manns Buch der Schauspieler und Intendant Gustaf Gründgens. Dessen Paraderolle war einst die des Mephistopheles in Goethes Faust. Der Roman, in dem die opportunistische Hauptperson einen Pakt mit dem Teufel schließt, wurde nach Klagen von einem Gründgens-Erben zunächst 1966 erst vom Oberlandesgericht Hamburg und 1971 noch vom Bundesverfassungsgerichts wegen postmortalen Persönlichkeitsschutzes in der Bundesrepublik verboten, in der damaligen DDR erschien jedoch das Werk weiterhin. Erst 1981 wurde das Werk von Klaus Mann, dem Sohn Thomas Manns, auch im Westen wieder veröffentlicht.

Brandauer bekleidete neben Mephisto noch viele weitere hochkarätige Rollen. Etwa als Baron Bror von Blixen-Finecke in „Jenseits von Afrika“ an der Seite von Meryl Streep und Robert Redford oder in „Wolfsblut“, wo er mit Ethan Hawke vor der Kamera stand. In „Kronprinz Rudolfs letzte Liebe“ brillierte er als Kaiser Franz Joseph, und mit „Oberst Redl“(1985) sowie „Hanussen“ (1988) arbeitete der Österreicher erneut erfolgreich mit István Szabó zusammen. Dem ungarischen Regisseur war es vorbehalten, in der Alten Oper die Laudatio auf Klaus Maria Brandauer zu halten. Darin bezeichnete der inzwischen 78-Jährige den Preisträger als „Guerilla-Kämpfer für die europäische Kultur“.

Der Geehrte richtete aufrichtige Worte an den Laudator: „Ich sage danke tausend Mal. Du warst es, der mir das Ticket zum Film gelöst hat“, strahlte Brandauer auf der Bühne. Der Schauspieler gab weiterhin seiner ehrlichen Freude über den Ehrenpreis des Hessischen Ministerpräsidenten in einer geschliffenen, pointierten Rede Ausdruck. Schmunzelnd widmete sich der 73-Jährige auch anderen Preisträgern in der Alten Oper. „Die Kerle sind erwachsen, Wahnsinn. Das heißt ja, dass ich alt bin. Bin ich aber nicht“, scherzte Brandauer, besonders mit Blick auf den 53-jährigen Schauspielerkollegen Heino Ferch, der in der ersten Reihe saß und ebenfalls einen Preis erhielt.


Heino Ferch wurde für seine glänzende Darstellung eines Lebemannes in dem Streifen „Allmen und die Libellen“ als bester Schauspieler ausgezeichnet.
Foto: Fiona Hörskens
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Ferch wurde als „Bester Schauspieler“ für seine Darstellung in dem Film „Allmen und die Libellen“ ausgezeichnet. Darin spielt er großartig den abgebrannten Lebemann Johann Friedrich von Allmen, einen nicht unsympathischen Snob, Frauenheld, stets charmant, der selbstsicher und cool auch mit den größten Gefahren umgeht. „Heino Ferch verkörpert diesen Allmen mit einer solchen stilistischen Sicherheit und erkennbaren Spielfreude, dass man ihm vom ersten Moment an gebannt und lustvoll bei jeder Schurkerei folgt und stets auf seiner Seite ist“, urteilte die Jury. Heino Ferch, so heißt es weiter, spiele mit Grandezza und zeige mit jeder Geste, jedem Blick, dass Stil keine Frage von Reichtum ist, sondern allein von der Haltung abhängt. Und aus dieser Haltung werde allerbeste Unterhaltung gemacht.

Zum besten Spielfilm wurde „Fritz Lang“ von Regisseur Gordian Maugg gekürt. Dieser lieferte mit dem Streifen in teilweise düsteren Bildern eine Meisterleistung ab. Der Film beleuchtet hautnah die Figur der Regielegende Fritz Lang, der 1939 in die USA emigriert ist, und dessen dramatischer Lebensgeschichte. Lang schuf mit dem Stummfilm „Metropolis“ und dem Tonfilm „M – eine Stadt sucht einen Mörder“ Meilensteine in der Kinogeschichte. „Stets auf der Suche nach der perfekten filmischen Form sieht Maugg diese in der Verschmelzung von Schauspielszenen und fiktionalem sowie dokumentarischem Archivmaterial“, befand die Jury.


Regisseur Gordian Maugg (li.) erhielt den Preis für seinen überragenden Spielfilm „Fritz Lang“. Als Laudator fungierte Schauspieler Florian Bartholomäi (re.), der auch schon den Hessischen Filmpreis erhalten hat.
Foto: Fiona Hörskens
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Mauggs Film erzählt, wie Fritz Lang, absolut genial verkörpert von Heino Ferch, auf der Suche nach einem passenden Stoff für seinen ersten Tonfilm „M“ von Berlin nach Düsseldorf reist, um dort die Ermittlungsmethoden eines angesehenen Kriminalrates im Fall des brutalen Serienmörders Kürten kennenzulernen. In Mauggs Streifen erhält der Star-Regisseur der 20er und 30er Jahre die einmalige Gelegenheit, sich in einem Tête-à-Tête Einblick in die Psyche des Mörders zu verschaffen und gerät dabei selbst in einen Strudel persönlich unverarbeiteter Erinnerungen. „Wie einst Fritz Langs Geschichten versetzt uns der Film in zutiefst irritierende menschliche Abgründe“, so die Jury. Dies werde filmtechnisch auf hohem Niveau und in Anlehnung an Langs Filme in atmosphärisch passender Schwarz-Weiß-Optik umgesetzt. Das Ergebnis sei eine ästhetisch gelungene Collage von fiktionalen Schauspielszenen und historischem Archivmaterial. „Gordian Mauggs Film über Fritz Lang ist ein furioses Kunstwerk über einen großen, nicht unumstrittenen Künstler“ resümierte die Jury.

Für nicht ganz freiwillige Erheiterung sorgte bei der Gala Margarita Broich, unter anderem Frankfurter „Tatort“-Kommissarin. Die 56-Jährige nahm den Preis als „Beste Schauspielerin“ entgegen - eine Nachbildung des Frankfurter Maintowers. Die meisten anderen Preisträger erhielten dagegen eine Statue in Form eines goldenen Mannes. Die anscheinend etwas enttäuschte Schauspielerin verblüffte mit der spontanen Aussage „Ich fand den goldenen Mann so schön“, was für Lacher im Publikum sorgte. Sie betonte jedoch postwendend und sympathisch lächelnd, wie sehr sie sich über die Auszeichnung freue. Diese erhielt sie für ihre Rollen im Tatort „Wendehammer“ und in dem Streifen „Aufbruch“. „Margarita Broich ist ein Phänomen. Eine Verwandlungskünstlerin, die keine komplizierten Frisuren-Kreationen braucht, um eine andere zu werden“, teilte die Jury zu ihrer Entscheidung mit. Als verhärmt proletarisch-katholische Mutter in „Aufbruch“ krieche ihr der Mief der frühen 1960er Jahre förmlich aus allen Poren. „Und dann leuchtet sie als Tatort-Kommissarin Anna Janneke, tanzt verführerisch und feminin, ist charmant und selbstbewusst und trickst selbst einen Zehnjährigen mit einem überraschenden Torschuss aus“, so die Jury weiter. Immer sei da diese umwerfende Körperlichkeit, mit der sie aus jeder Figur einen Solitär forme, der in keine Schublade passe.

Als „Bester Dokumentarfilm“ wurde „Ghostland - the view of the Ju'/Hoansi“ von Simon Stadler und Catenia Lermer ausgezeichnet. Er handelt von der Reise einer Gruppe dieses Volkes aus der Kalahari-Wüste in Namibia nach Europa. Dabei wird der Zuschauer von vier Bewohnern der Kalahari, die Ju'/Hoansi-San, eine der ältesten Jäger- und Sammlerkulturen, mit auf eine Reise nach Europa, eine für sie unbekannte, moderne Welt, genommen. „Das spürbar lebendige Wesen der Hauptdarsteller sowie ihre forschergleiche Neugier finden dabei schnell die Aufmerksamkeit der Zuschauer und lassen sie bis zum Ende nicht mehr los“, begründete die Jury ihr Votum. „Sie halten ihm mit ihrer berührenden Authentizität einen Spiegel vor, ohne dass der Film belehrend sein will.“

Auch in weiteren Kategorien wurden Auszeichnungen vergeben. Der Hochschulfilmpreis ging an „Nächstenliebe“ unter der Regie von Simon Pilarski, einem Absolventen des Fachbereichs Filmproduktion der Hochschule Darmstadt. Er widmete sich dem Thema Kindesmissbrauch in der Kirche, zeigte auf, dass Nächstenliebe bisweilen missverstanden und im schlimmsten Falle auch missbraucht wird. Dies mit gut gewählten Schauplätzen, wobei er in dem Film eine insgesamt dunkle und kalte Atmosphäre schafft. Zum besten Kurzfilm wurde „Ships passing the night“ der Regisseurin Elisabeth Zwimpfer gekürt und den Drehbuchpreis erhielt Auto Michael Bergmann für „Herr Klee und Herr Feld“. Nicht zuletzt gab es noch die Hessischen Kinokulturpreise für insgesamt acht kommerzielle und nichtkommerzielle Kinos.

„Mein herzlicher Glückwunsch gilt den diesjährigen Preisträgern und ihren Teams“, ließ Ministerpräsident Volker Bouffier in einem Grußwort aus der Ferne verlauten. „Allen Filmschaffenden wünsche ich auch weiterhin Mut und Kreativität sowie Erfolg im In- und Ausland.“