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Letzte Aktualisierung: 24.04.2024

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Medienlegende Ulrich Kienzle in Hattenheim

Plaudereien beim Rheingauer Weinkonvent

von Ilse Romahn

(23.10.2016)  Um es gleich vorwegzunehmen: der Gast der Weinplaudereien outete sich gleich zu Beginn als Freund des Rheingaus und als Kenner des Rheingauer Rieslings. Zu Gast war diesmal kein Geringerer als Ulrich Kienzle, jahrelang ARD-Korrespondent für den Nahen Osten und ausgenommen kenntnisreicher Experte für den stets kriegerischen Teil der Welt. Er hatte nicht immer eine Vorliebe für den Riesling. Geboren 1936 in Neckargröningen bei Ludwigsburg schätzte der 80jährige Schwabe da , was in seiner damaligen Heimat wächst: den Trollinger („Der Trollinger ist so eigenwillig wie die Schwaben“).

Nach seiner Berufung nach Beirut in den Libanon 1974 nahm er sogar 300 Flaschen heimatlichen Trollinger mit, bis er in seiner neuen Wahlheimat auf den Geschmack des libanesischen Rotweins kam. Er ist sogar der Meinung, dass die dortigen Rotweine ganz besonders gut sind.

Zunächst glaubte er in ein ruhiges, vielleicht erholsames Land zu kommen, von dem man klischeehaft sagte, es sei die „Schweiz des Ostens“ und Beirut das „Paris des Nahen Ostens“. Doch dieser Schein trug. Kaum angekommen begann der von Syrien initiierte Bürgerkrieg, seine ARD-Sekretärin quitterte ihren Dienst, seine Frau, ehemals Lehrerin, übernahm deren Funktionen. Der Libanon versank tage– und wochenlang in ein Chaos, unterbrochen von gelegentlichem Waffenstillstand. Kienzle, aber auch seine Frau erlebten selbst schreckliche Massaker, kämpften oft um ihr eigenes Leben in einem Land, das 18 Religionen beheimatete und in dem unzählige Dialekte gesprochen wurden und noch werden. „Die Auseinandersetzungen sind sehr komplex und die Machtspiele sind für uns nicht nachvollziehbar. Wenn es eine Steigerung von Kompliziertheit gibt, dann ist es der Nahe Osten“, betonte Ulrich Kienzle, der sich mit Kapitular Karl-Heinz Stier zwei Stunden, unterbrochen von drei Weinproben von Stefan Ress in dessen Räumlichkeiten in Hattenheim, einem unterhaltsamen aber auch nachdenklichen Frage-Antwort-Spiel stellte.


Ulrich Kienzle (li) und Karl-Heinz Stier
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Dann plauderten beide über die Zeit seiner Rückkehr nach Deutschland als Chefredakteur von Radio Bremen, als Moderator und Leiter der Hauptredaktion Außenpolitik des ZDF-Auslandsjournals – und seiner Frontal-Sendung mit Bodo H. Hauser, deren verbale Auseinandersetzungen untereinander nicht nur gespielt war („Manchmal ging es hinter den Kulissen viel schlimmer zu als vor der Kamera“).

Das war auch die Zeit, in der er den Rheingau lieben lernte – und seinen Riesling. Er wohnte in Kiedrich und Rauenthal, auch mal in Wiesbaden. Aber er wagte doch noch einmal ein Sprung in den Nahen Osten nach dem Irak, wo der Diktator Sadam Hussein herrschte und führte dort unter Beobachtung von 300 treuen Gefährten ein drei Stunden-Interview. Dieses Interview – gekürzt auf 45 Minuten- ging um die ganze Welt. Es wurde eine Woche vor dem Beginn des Golf-Krieges ausgestrahlt. Schon damals machte Sadam Andeutungen auf kriegerischen Auseinandersetzungen. „Dieser Massenmörder hielt zum Abschied lange meine Hand fest, ein Foto, das auch um die Welt ging. Es war mir einfach peinlich“, so der jetzt Wieder-Wiesbadener., der derzeit an einem Buch über Saudi-Arabien schreibt.

Und was gefällt ihm am Rheingau besonders? „Die Menschen sind fröhlich, ungeheuer nett und im Sommer gibt es in jedem Dorf rundum ein großes Weinbesäufnis. Das ist schön“. Seine Frau Ilse gesteht, dass sie zum Rheingau feste Heimatgefühle entwickelt habe. Es sei eine der schönsten Regionen Deutschlands und „die Rheingauer merken vielfach gar nicht, in welcher außergewöhnlichen Gegend sie leben“. Das war natürlich Balsam für die Seele der überwiegend Besucher aus dem Rheingau. So blieb der Kapitelältesten Nadine Haas nur noch allen Zuhörern für ihre Anwesenheit und den Teilnehmern und Organisatoren für das Gelingen des Abends zu danken - und sie erfreute Ulrich Kienzle mit einem Sortiment bester Riesling-Editionen.