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Letzte Aktualisierung: 23.04.2024

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Die Rattles wecken schöne Erinnerungen

Beat-Urgestein kam in der Oberurseler Stadthalle toll an und sang wie einst

von Von Michael Hörskens

(25.09.2016)  Was für ein wunderbarer nostalgischer Abend. Und was für ein herrlicher Sound. Bei der 6. Beatnight in der Oberurseler Stadthalle weckte die deutsche Beat-Legende „The Rattles“ Erinnerungen an die legendären 60er Jahre, als die Rock-Musik immer vielfältiger und kreativer wurde. Schon die Vorgruppe, die Formation „The 2nd Generation“, spulte ein Feuerwerk von Hits aus dieser Ära ab und heizte dem Publikum ordentlich ein.

Kaum standen die Rattles auf der Bühne, legten die „Old Boys“ schon mächtig los – mit einem ihrer größten Hits: „Come on and sing“. Und sofort gab’s noch eins drauf: „Sha-la-la-la-lee“, eigentlich damals bekannt geworden durch die Small Faces. Mit Bassist und Sänger Herbert Hildebrandt sowie Schlagzeuger Dicky Tarrach standen in Oberursel noch zwei Urmitglieder der Anfangsformation der Band auf der Bühne. Ergänzt wurden sie von Eggert Johannsen (Gesang, Gitarre) sowie dem Gitarristen Manni Kraski. Die Jungs wirkten so taufrisch wie zu ihren Hamburger Star-Club-Zeiten, die letzten 50 Jahre schienen bei Ihnen keine nennenswerten negativen Nebenwirkungen hinterlassen zu haben.


Die deutsche Band-Legende „The Rattles“ begeisterte bei der Beatnight in Oberursel. Mit dabei die Gründungsmitglieder Herbert Hildebrandt (vorne rechts) und Dicky Tarrach (hinten am Schlagzeug)
Foto: Hörskens
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Gegründet wurden die Rattles Anfang der 1960er Jahre, sie spielten damals den angesagten Hamburger Clubs und gewannen 1962 im berühmten Star-Club den Wettbewerb „Beste Beatband“. Ihre größten Erfolge feierten sie 1966, als sie, damals noch mit Sänger Achim Reichel, als Vorgruppe die Beatles bei deren Deutschland-Tournee begleiteten und in der Hitparade vertreten waren. Mit Songs wie „Raindrop“ oder „The Witch“ blieben die Rattles in dieser Zeit fester Bestandteil in der deutschen Rockmusik-Szene.

Die Musik von einst haben sie noch verdammt gut drauf, was sich bei der Beatnight in Oberursel eindrucksvoll zeigte. Das gilt besonders für die eigenen Hits wie „La la la“ oder „Love of my life“ sowie für Cover-Versionen wie „Twist an shout“, „Hippie Hippie Shake“ oder Buddy Holly’s „Peggy Sue“. Glänzend ein mehrminütiges Drummer-Solo von Dicky Tarrach, bei dem er auf bestechende Art demonstrierte, dass er die gute alte Schule noch glänzend beherrscht. Hildebrandt wiederum zeigte auf charmante Weise, wie man Bonuspunkte im Publikum einheimst: „Hier in der Gegend muss ein gutes Klima sein. Ich seh‘ hier lauter junge Gesichter.“ Zwischen 1966 und 1970 waren die Rattles schon mehrmals im Star-Club Oberursel in der TSGO-Turnhalle zu Gast gewesen. Nach einer schöpferischen Phase gelang ihnen 1988 ein Comeback mit der Hit-Single „Hot Wheels“. Seither veröffentlichen sie regelmäßig neue CDs und spielen unzählige Live-Konzerte.

Bei der Beatnight in Oberursel erlebte das Publikum wieder die Formation „The 2nd Generation“. Was die Jungs einmal mehr an Hits der 60er abspulten, riss auch in diesem Jahr die Leute vom Hocker. Hammer-Hit auf Hammer-Hit sorgte für totale Begeisterung. Kein Song, den das Publikum nicht kannte oder bei dem es nicht mitsang, mitswingte oder mittanzte. Die bunte Palette reichte von den Rolling Stones („I’m free“), den Kinks („You really got me“), über „Glad all over“ von den Dave Clark Five, „Do you love me“ von den Tremeloes bis zu den Troggs (With an girl like you) oder alten Bubble-Gum-Schinken wie „Simon says“ (1910 Fruitgum Company) und Crazy Elephant‘s „Gimmie gimmie good lovin”. Quasi als Hommage an den Vorjahres-Top-Act bei der Beatnight, den Searchers, intonierten die Gießener Gruppe deren Hit „Sweets for my sweets“ und vielleicht als kleine Anstachelung konnte man betrachten, dass sie auch noch „Poor Boy“ von The Lords rockten, die damals in Deutschland die großen Konkurrenten der Rattles waren.


The 2nd Generation sorgte mit ihren Hits der 60er Jahre für tolle Stimmung
Foto: Hörskens
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Interessant: Sogar eher seltene, so genannte One-Hit-Wonders hatte die 2nd Generation im Repertoire. Als da wären „My friend Jack” von The Smoke, “Painter Man” (The Creation), der Renegades-Evergreen „Cadillac“ oder “Hang on Sloopy” von den McCoys. Zum Schluss wurde es noch sehr romantisch: Als die 2nd Generation „Hey Jude“ von den Beatles intonierten, nahmen sich einige Pärchen fest in den Arm, tanzten eng umschlungen mit geschlossenen Augen oder küsste sich einmal wieder so heftig wie damals. Herrlich auch zu sehen, dass manche männliche Besucher noch die Haarmode der 60er Jahre bevorzugen, wenngleich in diversen Grautönen....

„Das war einfach eine herrliche Musik damals“, strahlte Adelaide aus Frankfurt. „Wir waren damals oft in Beat-Kellern unterwegs und feierten auch privat tolle Partys“, blickte sie zurück. Und ergänzte etwas verklärt: „Am liebsten habe ich Blues getanzt, bei den langsamen Songs kam man sich halt rasch näher“. Ihre 33-jährige Tochter liebt ebenfalls die Musik der 60er Jahre. „Sie ist bei uns daheim quasi damit aufgewachsen“, berichtet Adelaide, die fast jeden Song rhythmisch und elegant tanzend begleitete.

Daniel Ehrhardt, Frontman bei den 2nd Generation, war am Ende begeistert vom Auftritt der Rattles: „Wahnsinn, was die Leute mit über 70 Jahren noch live auf der Bühne bringen. Die sind schon eine echte deutsche Beat-Legende.“ Angesprochen auf die eher seltenen Songs in ihrem eignen Repertoire erklärte der 36-Jährige: „Wir wollten da was ausgraben, was etwas in Vergessenheit geraten ist. Hits, die keiner mehr so richtig kennt.“ Und mit denen ebenfalls tolle Erinnerungen geweckt werden. Denn so mancher Besucher der Beatnight empfand eine tiefe Dankbarkeit, dass er diese tolle Ära der Rockmusik damals hautnah miterleben durfte.