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Letzte Aktualisierung: 28.03.2024

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23. Clingenburg Festspiele ziehen positive Bilanz – mit einer Einschränkung

von Ilse Romahn

(22.08.2016)  Klingenberg - Mit dem Konzert der Queen Revival Band ist die 23. Festspielzeit auf der Naturbühne in Klingenberg zu Ende gegangen. In der diesjährigen Saison kamen ca. 31000 Besucher zu den vier Eigenproduktionen mit insgesamt 60 Vorstellungen und den drei Gastspielen. Stehende Ovationen und begeisterte Zuschriften zeugten von einer insgesamt sehr erfolgreichen Spielzeit.

„Hair“, Musical von Galt MacDermot, Regie Peter Rein
Die Story über den Widerstand der Hippiebewegung gegen den Vietnam-Krieg und ihren Traum vom Leben in einer tabulosen Welt wurde vom Publikum enthusiastisch aufgenommen. Das gesamte Ensemble sorgte für eine energiegeladene Aufführung – allen voran Lars Schmidt als charismatischer Anführer Berger, David Krohn, der seine Rolle als Woof sichtlich genussvoll spielte und Marcel Kaiser, der trotz einer gebrochenen Hand auch bei den letzten fünf Vorstellungen dem Claude eine differenzierte Verkörperung gab. Komische und parodistische Elemente, die die Zuschauer immer wieder spontan zum Lachen brachten, farbenprächtige Kostüme (Isa Mehnert), eine fantasievolle Choreografie (Ronny Bartsch) und die gut arrangierte und präzise gespielte Live-Musik (Ltg. Ralph Scheiner und Patrik Pietschmann) zeichneten die Inszenierung aus.


Szenenfoto aus `Die Räuber`
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„Schillers Räuber“, Schauspiel nach Friedrich Schiller, Regie Marcel Krohn
„Ein Feuerwerk der Gefühle“, „Schillers Räuber werden zum Polit-Krimi“, „Die Kraft des Theaters“ - nach der Premiere des Sturm und Drang-Dramas überschlugen sich die Kritiken. Marcel Krohn hatte mit seiner Inszenierung, die er bis in die kleinsten Nebenrollen liebevoll durchstrukturiert hat, offenbar den Nerv der Zeit getroffen. Otto Beckmann zeigte als Karl Moor eine charismatische und mitreißende Darstellung, während Till Brinkmann als sein Bruder Franz wie ein geschickter Intrigant agierte, der voll kalter Aggressionen steckt. Julia Hell zeigte Amalia entgegen der üblichen Interpretation als moderne und selbstbewusste junge Frau, Mariyama Ebel sorgte für eine nicht minder ungewöhnliche Interpretation des Schweizer und Hans Hirschmüller spielte den greisen Grafen Moor berührend mit quälenden Selbstvorwürfen.


Szenenfoto aus `Peter Pan`
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„Peter Pan“ Familienmusical (Welturaufführung) nach James Matthew Barrie
Die Insel Nimmerland, wo Peter Pan und die verlorenen Kinder wohnen, ist seit Generationen ein Sehnsuchtsort für kleine und große Kinder, auch wenn Captain Hook und seine Piraten die Harmonie gelegentlich stören. Werner Wulz mimte den barocken Bösewicht mit der nötigen Selbstironie und erntete Respekt, aber auch viele Lacher. Seine beiden Kumpanen Starkey und Smee (David Krohn und Loraine Dere) brillierten in ihren Rollen als dümmlich-witzige Piraten. Mit Allesandro Nanio Pacino als Peter Pan (mutig und witzig, aber dennoch verletzlich) überzeugte das gesamte Ensemble mit einer grandiosen Darstellung. Die Musik von Larissa Schories wirkt mal frisch und fröhlich („Stark, stark, stark“, oder „Ich bin frei“) mal einfühlsam und nachdenklich („Liebe ist ….“). Absoluter Publikumsliebling war die Fee Tinkerbell, hervorragend verkörpert durch die bezaubernde Darstellerin Mariyama Ebel.

„Jesus Mohammed geht baden“ von Intendant Marcel Krohn, Regie Thomas Klischke
Es war ein Wagnis, dieses Jugendstück auf die Bühne zu bringen, da es sich außerhalb eines üblichen Festspiel-Programms positioniert. Erzählt wird die Geschichte von Isa, einem syrischen Flüchtling, facettenreich verkörpert von Marcus Abdel-Messih, und Tine, einer jungen deutschen Frau, frech, verführerisch und herzerfrischend gespielt von Franziska Lißmeier. Thomas Klischke, bekannter Kinder- und Jugendtheater-Regisseur, hat das Stück inszeniert. Den ernsten Stoff hat er mit spielerisch fröhlichen Einfällen unterlegt und gerade dadurch die sozialutopische Dimension des Stückes herausgehoben.

3 Gastspiele gab es auf der Clingenburg zu sehen und zu hören
„The Michael Jackson Tribute Show“ vermittelte – dank einer erstklassigen Choreografie – den Eindruck eines noch lebenden King of Pop. FALCO – the Show: Der 51-jährige Musicaldarsteller und Schauspieler Alexander Kerst schlüpfte in die Rolle von Falco und weckte bei Falco-Fans mit Gestik und Mimik Erinnerungen an das Idol, das 1998 bei einem Unfall ums Leben kam. Mit der grandiosen Rock-Show der „Queen Revival Band“ vor 800 begeisterten Zuschauern fand die 23. Saison der Clingenburg Festspiele einen würdigen Abschluss.

Das Publikum hatte bei den beiden Hauptproduktionen "Hair“ und „Schillers Räuber" die Möglichkeit, über den Ehrenpreis als beste Schauspielerin/bester Schauspieler abzustimmen. Julia Hell durfte für ihre anmutige Darstellung der Amalia und der Sheila gleich zwei Trophäen mit nach Hause nehmen. Die Auszeichnung als bester männlicher Darsteller ging an Lars Schmidt, der einen energiestrotzenden Berger zeigte und an Otto Beckmann, der als Karl Moor mit einer enormen Gefühlspalette aufwartete. Mariyama Ebel wurde außer der Reihe mit einer Trophäe ausgezeichnet. Sie überzeugte in der traditionell männlichen Rolle des Schweizer.

Überschattet wurde diese Festspielsaison von der Lärmschutzklage eines in Klingenberg ansässigen Ehepaares, das u.a. Musical-Aufführungen ganz untersagen lassen wollte. Nach zahlreichen Bemühungen und Investitionen, die dem Verein sehr viel Geld kosteten, konnten die Festspiele im Wesentlichen wie geplant durchgeführt werden. Allerdings musste, entsprechend den Auflagen der Stadt Klingenberg, von Sonntag bis Freitag das Vorstellungsende beim Musical auf 22.00 Uhr verlegt werden, was bedeutete, dass werktags auf eine Pause verzichtet wurde. Von manchen Besuchern wurde diese Regelung kritisch gesehen. Rainer Markens, Vorstandsvorsitzender, zog dennoch eine positive Bilanz, auch wenn die außergewöhnlichen finanziellen Belastungen durch die Lärmschutzklage die Vereinskasse enorm belasten. Der Sommer zeigte sich hier in Klingenberg in diesem Jahr von seiner allerbesten Seite. Keine einzige Aufführung musste wegen schlechten Wetters abgesagt oder verschoben werden. Alle Stücke konnten gemäß Spielplan aufgeführt werden.

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel
Der Intendant und der Verein sind bereits in der Planung für die Festspielzeit 2017. Der Verein folgt den Vorschlägen des Intendanten. So können sich heute bereits die Clingenburg-Fans freuen auf das Musical „Cabaret“, das durch die Verfilmung mit Liza Minelli Weltruhm erlangte, und auf Kleists „Der zerbrochene Krug“, ein Lustspiel mit einem bestürzend aktuellen Kern, der auch mitunter das Tragische streift. „Aladdin“, die Märchenfigur aus 1001 Nacht, wird sicherlich wieder kleine und große Zuschauer begeistern. In der 24. Spielzeit ist zum dritten Mal in Folge ein Jugendstück
vorgesehen. Der Kartenvorverkauf wird voraussichtlich im November 2016 beginnen.

Die Festspiel-Organisation bedankt sich bei den Musical- und Theaterbegeisterten, die auch in diesem Jahr den Weg auf die Clingenburg antraten, um anspruchsvolle Inszenierungen mit professionellen und bestens aufgelegten Darstellern zu genießen.
www.clingenburg-festspiele.de

Fotos: Björn Friedrich/Harald Teubel