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Letzte Aktualisierung: 23.04.2024

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Finanzplatz Frankfurt auf Platz 2 gut behauptet

Helaba-Analyse sieht London vorn

von von Karl-Heinz Stier

(30.05.2016)  Der Finanzplatz Frankfurt hat nach Auswertung einer Jubiläumsstudie der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) die Führungsrolle in Kontinental-Europa übernommen. Danach liegt Frankfurt deutlich vor Paris. Im gesamteuropäischen Raum zieht allerdings London an Frankfurt vorbei.


Jubiläumsausgabe
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Zur aktuellen Beurteilung der drei genannten Finanzplätze haben die Helaba-Volkswirte dabei 5 Kriterien herangezogen, die für Positionierung eines internationalen Finanzplatzes unverzichtbar sind:

1.Kriterium „Banken“
Hier ist London unbestritten die Nummer eins unter den europäischen Finanzzentren. Doch die Situation in der Bankenbranche stellt sich trotz aller Anstrengungen generell schlechter dar als zur ersten Helaba-Finanzplatzstudie im Jahr 2006. Der Konsolidierungsdruck hält an. Die vermehrten Regulierungs- und Aufsichtsanforderungen stellen zwar Kosten für die Banken dar, haben aber zu einer besseren Eigenkapitalausstattung und reduzierten Bilanzrisiken beigetragen. Frankfurt durchläuft im Vergleich der europäischen Bankenplätze eine solide Beschäftigungsentwicklung. Für Ende 2017 gehen die Analysten von rund 62000 Mitarbeitern in den hiesigen Banktürmen aus, ein Prozent weniger als zum letztverfügbaren Stand im Herbst 2015. Dabei erweise sich die EZB als Beschäftigungsgarant und sorge für eine langfristige Attraktivität des Frankfurter Bankenstandortes. Kurzum in puncto Banken sind Frankfurt und Paris nun gleichwertig.

2. Kriterium „Börsen“
Die Schaffung einer europäischen „Superbörse“(Frankfurt und London)würde die Messlatte für die zunehmende Konkurrenz in Übersee hochhängen. Zusammen kämen die beiden Börsenkonzerne derzeit auf einen Marktwert von knapp 29 Milliarden Euro, womit sie zum weltweit größten Betreiber aufsteigen würden. Freilich würde der Frankfurter Börsenplatz durch die „Eingemeindung aus London“ – so Dr. Traud weiter - aus London degradiert, der hiesige Einfluss wäre begrenzt und es würden Arbeitsplätze in Frankfurt wegfallen. Der Euronex (Paris als Teil einer Mehrländerbörse mit Hauptsitz Amsterdam) würde eine geringere Rolle spielen. „Sollte die Fusion mit London noch kippen, könnte Frankfurt erhobenen Hauptes seinen eigenen Weg gehen“.


Helaba-Chefvolkswirtin Dr. Gertud Traud
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3. Kriterium „finanzbezogene Lehre und Forschung“
Auf diesem Sektor hat sich Frankfurt substantiell fortentwickelt und an internationalem Ansehen gewonnen- mit weiterem Raum nach oben. Mit der komplementären Kombination aus Frankfurter Goethe-Universität und Frankfurt School of Finance und Management wird ein attraktives, hochwertiges Spektrum der Lehre und Forschung geboten. Gleichwohl habe das deutsche Finanzzentrum nicht die prestigeträchtige Tradition von Bildungsinstitutionen vorzuweisen wie sein britisches und französisches Pendant. Frankfurt könnte sein umtriebiges, zusehends wettbewerbsfähiges Netzwerk an intellektueller Infrastruktur durchaus selbstbewusster präsentieren.

4. Kriterium „Trends in der Finanzbranche“
Hier rangiert das deutsche Finanzzentrum weiterhin im Mittelfeld, das französische hat sich verschlechtert. Der technologische Wandel des Bankwesens wird wesentlich bei der Digitalisierung von Fintechs sowie Internetkonzernen angeschoben. Neben den in diesem Bereich führendem Großbritannien schneidet Deutschland recht gut ab, wohingegen Frankreich noch nicht als global vielversprechende Fintechs-Destination gilt. „Frankfurts Position ist langfristig zu festigen und auszubauen, insbesondere seine Position als deutscher bzw. kontinentaleuropäischer Fintech-Hub“. Die zügige Einrichtung eines Tech-Zentrum sei ein wichtiger Meilenstein.

5. Kriterium „standortspezifische Qualitäten“
Bei der Verkehrsinfrastruktur sowie den Kosten für Büroimmobilien und Lebenshaltung schneidet die Mainmetropole besser als ihre beiden Hauptkonkurrenten im Finanzplatz-Wettbewerb ab. Hier gibt es kurze Wegeverbindungen, die Mieten für Büroraum sowie Lebenshaltungskosten sind am niedrigsten. Das Flair am Main ist zusehends multikultureller bzw. internationaler geworden. Die Naherholungsmöglichkeiten in Frankfurt sind besonders gut, da etliche kulturlandschaftlich schöne Ziele schnell und bequem erreichbar sind. Urbane Räume im Rhein-Main-Gebiet werden immer wieder durch weitläufige Grünzonen unterbrochen. Demgegenüber befinden sich Paris und London in größeren, weniger grüne Aglomerationen, und der Weg in die freie Natur ist weiter.

Insgesamt hat sich der Finanzplatz Frankfurt in einem herausfordernden Umfeld gut behauptet und seit 2006 weiter bewegt und vor allem gegenüber Paris Boden gut gemacht. Damit ist die relative Bedeutung der drei großen Finanzplätze Europas nun eindeutig: London vor Frankfurt vor Paris. So die Bilanz der Helaba-Jubiläumsausgabe.

Was die Volksabstimmung in Großbritannien zu Europa betrifft, so geht nach Auffassung der helaba-Chef-Volkswirtin „das Theater beim Brexit erst richtig los“. Aber auch bei einem positivem Votum werde die Situation nicht einfach, zumal die Briten dann –egal wie verhandelt wird – Sonderrechte beanspruchen, die „Europa zur Zerreißprobe bringen könnten“.