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Letzte Aktualisierung: 28.03.2024

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Chagall für alle

von Ilse Romahn

(27.02.2016)  Seit 2008 verwendet der Frankfurter Verein Kultur für ALLE e.V. das Motiv des Bildes "Commedia dell'Arte" für seinen Kulturpass, den Interessierte für einen Euro (Kinder die Hälfte) erwerben können und damit zu den selben Eintrittspreisen bei über 200 Kulturinstitutionen in Frankfurt am Main willkommen sind. Der scheckkartenähnliche Kulturpass schmückt sich mit Chagall's Bild, denn, so der Verein: Er soll kein „Armutspappendeckel" sein, sondern soll mit Stolz als Ausweis des Rechts und Interesses an Teilhabe an Kultur vorgezeigt werden können. Die Erben Marc Chagall’s haben dem Verein die Nutzung lizenzfrei gestattet.


Commedia dell`Arte von Marc Chagall
Foto: VG-Bildkunst
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Das Internet macht’s möglich. Der Verein Kultur für ALLE hat auf seinem Internet - Portal eine Galerie eingerichtet auf dem nun die vierzehn Skizzen, die Marc Chagall zu „Commedia dell’Arte“, die er in seinem Atelier in St. Paul de Vence in verschiedenen Techniken angefertigt hat, nunmehr zum ersten Mal von Interessierten auf der ganzen Welt gesehen werden können. Zur virtuellen Ausstellung kommt man mit dem link www.kulturpass.net/Chagall

Es war im Januar 1958 als der damalige Frankfurter Kulturstadtrat Karl vom Rath Marc Chagall in Südfrankreich besucht und dort ein mögliches Auftragswerk für das Theaterfoyer mit ihm besprochen hat. Chagall sagte zu, eine zweite, größere Fassung der "Commedia dell' Arte" anzufertigen.

Die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung beschloss im Dezember 1958 den Kauf eines Bildes und der dazugehörigen 14 Skizzen von Marc Chagall unter der Prämisse, dass der Kaufpreis in Höhe von 150000 Mark durch Spenden von Frankfurter Firmen und Privatleuten aufgebracht würde. Das konnte mit Hilfe der Adolf-und-Luisa-Haeuser-Stiftung, die seit dieser Zeit Eigentümerin des Gemälde ist, auch erreicht werden.

Pünktlich zur Eröffnung der so genannten "Theaterdoppelanlage" im Jahre 1963 hing das 2,55 x 4,00 m große Gemälde (Mischtechnik auf Leinwand ) bis 2004 im Chagallsaal. Danach folgten Restaurierungsarbeiten am Gemälde unter Leitung der Restauratorin Snejanka Bauer, Ausstellungen im Frankfurter Ikonenmuseum und Reisen zu anderen Ausstellungen in Europa. Seit 25.9.2008 ist das Gemälde wieder dort zu sehen, wofür es gemalt wurde: im Chagallsaal der Frankfurter Städtischen Bühnen und ist dort fester Bestandteil der Theaterarchitektur. Der Versicherungswert ist heute 4,5 Millionen Euro.

Marc Chagall und Deutschland - das war die komplizierte, ein Leben lang andauernde Wechselbeziehung zwischen einem der bedeutendsten Künstler der Moderne und einem Land, das zu Anfang des 20. Jahrhunderts einen ungeheuren künstlerischen Aufbruch erlebt hatte, der jedoch durch den Nationalsozialismus abrupt beendet wurde. Der Zweite Weltkrieg und der Zivilisationsbruch von bis dahin ungekanntem Ausmaß erschütterten die deutsche Identität nachhaltig und erzwangen eine geistige Neuorientierung nach 1945. Die Rezeption Chagalls in Deutschland von 1913 bis heute spiegelt seismographisch all diese Erschütterungen. Heute sind seine Werke sowohl zu Zeugnissen dieses Zivilisationsbruches geworden als auch zu Sinnbildern eines universalen, Länder und Kulturen übergreifenden Humanismus.