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Letzte Aktualisierung: 19.04.2024

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„Lauter Offenbacher Leut“

Lothar R. Braun mit neuer Ausgabe

von von Karl-Heinz Stier

(01.07.2015)  Es war schon vorauszusehen, dass es mit der ersten Ausgabe der „Offenbacher Köpp“ nicht sein Bewenden haben würde. Viele andere Offenbacher Persönlichkeiten standen „auf der Warteliste“ des Autors Lothar R. Braun. Und so machte sich der ehemalige Lokalchef der Offenbach Post und Pressesprecher der Stadt Offenbach „auf die Socken“ und komponierte ein zweites Buch mit dem Titel „Lauter Offenbacher Leut“ in Geschichte und Gegenwart. Von der fürstlichen Residenz über den Industriestandort bis zu der Stadt, die eine neue Rolle sucht, reicht die Palette der Kurzportraits. So wird von Menschen erzählt, die ihr Leben von Anfang an in der Lederstadt verbracht haben, von Zugereisten und Weggezogenen, von Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Sport und Kultur. Zu den 36 Portraits hier einige Beispiele:


Bettina von Armin, (geborene Brentano), in der Literaturgeschichte eine hervorragende Vertreterin der Romantik. Als es die D-Mark noch gab, schmückte ihr Antlitz den 5-Mark-Schein.Sie wurde in Frankfurt geboren, schwärmte aber auch von Offenbach. Bei Ihrer Offenbacher Großmutter Sophie von La Roche wohnte Bettina im Mansardenstübchen und wurde hier mit den literarischen Strömungen der damaligen Zeit konfrontiert. Sie buhlte um die Zuneigung von Goethe, begegnete Karl Marx und erscheint mit ihrer Gesellschaftskritik wie eine frühe Sozialistin.

Udo Bintz , der 1945 mit der Offenbach-Post und 1948 mit dem Boulevardblatt Abendpost – später die Abendpost/Nachtausgabe – die alte Offenbacher Zeitungstradition fortführte. Gelernt hatte er in den USA und später Erfahrungen beim Ullstein-Verlag in Berlin gemacht. Seine amerikanischen Beziehungen ließen die Militärregierung nach 1945 den politisch unbescholtenen Bintz besonders vertrauenswürdig erscheinen. In der Folge wechselten mehrfach in Offenbach die Eigentumsverhältnisse, bis nur noch das Pressehaus „Bintz-Verlag“ als Firmierung übrig blieb. Er war gegenüber seinen Mitarbeitern ein konzilianter und aufmerksamer Chef. Als er einer jungen Mitarbeiterin auf der Treppe begegnete und dabei eine Büroklammer entdeckte, überreichte er ihr das Büroutensil mit den Worten: „Diese Kleinigkeit ist eine Kostbarkeit, die man immer mal benötigen kann“.

Von politischen Skandalen begleitet war die Berufung von Prof .Dr. Herbert Lewin als einer unter fünf Bewerbern für den Chefarzt der städtischen Frauenklinik. Der jüdische Arzt gehörte zu den Verfolgten in der NS-Zeit, seine Frau und Familie kamen im Ghetto Lodz ums Leben. Nach einer knappen aber positiven Abstimmung für Lewin machte Bürgermeister Kasperkowitz auf die Vorgeschichte von Lewin aufmerksam und meinte, man müsse befürchten, dass Klinikbetten leer blieben, weil nichtjüdische Patienten bei diesem Arzt Furcht vor etwaigen Hassgefühlen haben könnten. Andere – auch der OB Rebholz - schlossen sich dem an und brachten Lewin in einer zweiten Magistratssitzung eine Niederlage bei. Erst eine dritte Abstimmung unter dem Votum der Stadtverordnetenversammlung ermöglichte Lewin dann die Magistrats-Berufung. Bürgermeister und OB traten zurück. Lewin war 17 Jahre Chefarzt und danach zwei weitere Jahre Vorsitzender des Direktoriums des Zentralrates der Juden in Deutschland.

Michael Groß ist in Frankfurt geboren, aber seine sportliche Heimat war Offenbach, der Erste Offenbacher Schwimmclub und das Schwimmbad auf der Rosenhöhe. Hier legte er den Grundstein für seine sportlichen Erfolge: dreimal Olympisches Gold, dazu Silber und Bronze, fünf Weltmeister und 13 Europameistertitel. Heute ist sein Geschäft das Coachen von Führungskräften. Ursprünglich wollte er Flugpilot werden. Gescheitert ist er aber an seiner Körpergröße (2,01 Meter). Wenn er seine Arme spannt, misst er 2,13 Meter. Deshalb nannte man ihn in sportlichen Kreisen auch „Albatros“.

Was Groß für den Sport war, war Conny Jackel für die Musik. In den Wäldern von Tempelsee übte er mit seiner Trompete so lange, bis er ein Teil von ihr wurde und sie ein Teil von ihm und ihn dann in die erste Reihe der Deutschen Jazzmusiker führte. Zu Weihnachten warteten seine Nachbarn im Stadtteil Lauterborn darauf, dass Conny am Hl. Abend mit der Trompete für sie einen Festgruß über die Dächer schickte. Obwohl ihm der Krebs die Trompete von den Lippen riss, wechselte er zum Schlagzeuger über, solange es ihm noch vergönnt war.

„Viele sind sich darin einig, dass Offenbach prägt, auch die nach der Schulzeit die Stadt verließen und anderenorts Karriere machten“, sagt Stefan Gey von den Offenbacher Editionen. Es wäre nicht verwunderlich, wenn auch dem zweiten Buch ein Ergänzungsband über „Offenbacher Leut“ folgen würde. Die Liste der Personen ist gewiss nicht erschöpft.

Das Buch ist in den Offenbacher Editionen, Berthold Druck GmbH erschienen (ISBN 978-3-939537- 33-5) und im Buchhandel erhältlich.