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Letzte Aktualisierung: 19.04.2024

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Wie Frankfurt prosperierende Messestadt wurde

Mit einer Urkunde besiegelte Kaiser Friedrich II. den Schutz von Händlern und Besuchern

von Ilse Romahn

(30.06.2015)  Vor 775 Jahren, am 11. Juli 1240, stellte Kaiser Friedrich II. die Besucher der Frankfurter Messe unter seinen hoheitlichen Schutz. Das Privileg markiert den Beginn der internationalen Messetradition am Main. Die Urkunde des weltoffenen Staufers bildet zugleich die Basis für den bis heute prosperierenden Wirtschaftsstandort Frankfurt, an dem Handel, Messe und Finanzgeschäfte eng miteinander verwoben sind.

Es dürfte wohl eine beschwerliche und lange Reise gewesen sein, die eine Delegation Frankfurter Honoratioren wahrscheinlich irgendwann im Frühjahr 1240 gen Süden antrat. Ihr Weg wird sie über die Alpen geführt haben, hinunter ins italienische Ascoli, wo der Staufer-Kaiser Friedrich II. sein Feldlager aufgeschlagen hatte. Vorstellbar ist, dass die Frankfurter dem Herrscher ihre Bitte vortragen durften: Friedrich möge die zur alljährlichen Messe in ihre Heimatstadt kommenden Kaufleuten unter seinen Geleitschutz stellen.

Das Privileg des freien Geleits
Die Reise der Frankfurter ist historisch nicht belegt, das Ergebnis schon: Am 11. Juli 1240, vor 775 Jahren, gewährte der Kaiser das Privileg des freien Geleits. Zwar wird die Urkunde die Frankfurter Bürgerschaft vermutlich einen prallen Beutel Goldgulden gekostet haben. Aber es war eine lohnende Investition in die Zukunft. Denn fortan drohte jedem – egal, ob Wegelagerer oder Fürst – der einen gen Frankfurt ziehenden Händler überfiel, kaiserlicher Zorn und Strafe. Die so abgesicherten Kaufleute strömten in der Folge in Scharen an den Main. „Das Privileg wurde nicht im luftleeren Raum vergeben. Frankfurt war damals schon ein lebhafter, internationaler Platz. Die Urkunde machte es nur offizieller“, ordnet Frank Berger, Kurator im Historischen Museum und Experte für die Stauferzeit, die Bedeutung ein.

Drehscheibe der Warenströme
Erstmals belegt ist die Frankfurter Messe um 1150. „Im Herbst nach der Ernte konnten die Menschen ihre Waren abschätzen. Dann gingen sie zur Messe“, erläutert Berger den Ursprung eines solchen Marktes, den es im Mittelalter in fast jedem Dorf gab. In der Kaiserstadt Frankfurt fiel alles ein bisschen größer und interessanter aus. Denn dank der geografisch optimalen Lage am Schnittpunkt bedeutender Fernhandelsrouten von und nach Lyon, Venedig, Antwerpen, Lübeck und weiter in Richtung Nischni Nowgorod war die Stadt Drehscheibe der Warenströme und Treffpunkt für Menschen aus aller Herren Länder. Zusammen mit dem Main als günstigem Transportweg „waren damit beste Voraussetzungen für eine internationale, reichsweite Messe gegeben“, sagt Berger. Und nicht nur das: Jahrhunderte später findet die Anbindung an das Wegenetz ihre Fortsetzung in den modernen Formen der Infrastruktur wie Flughafen, Autobahnen und den sich unter der Stadt kreuzenden Datenhighways.

Handel im Frühjahr und im Herbst
Seit einem weiteren kaiserlichen Privileg von 1330 kamen die Kaufleute nicht nur im Herbst, sondern auch im Frühjahr an dem Main, um zu handeln und zu feilschen. Die terminliche Grundstruktur der modernen Konsumgütermessen wie der Ambiente im Herbst oder der Heimtextil im Frühjahr zeichnete sich also bereits im 14. Jahrhundert ab. Auch das Angebot zeigt Kontinuität. Auf dem mittelalterlichen Warenumschlagsplatz rund um das heutige Rathaus Römer, dessen Name an Kaufleute aus Italien erinnert, gab es Seide aus Lyon, Tuche wurden im Saalhof gehandelt, Italiener boten exotische Spezereien an. Aus dem Norden dürften Pelze gekommen sein. Waffen gehörten ebenfalls zu den begehrten Gütern.

Die heutige Buchgasse erinnert an die Anfänge des Handels mit dem gedruckten Wort. „Im 15. Jahrhundert besaß Frankfurt eine herausragende Stellung im Druckgewerbe. Merian hat hier als Buchdrucker gearbeitet“, erläutert Frank Berger den geschichtlichen Hintergrund. Johannes Gutenberg, der Erfinder des Buchdrucks, habe in der Buchgasse die erste seiner berühmten Bibeln verkauft. Das Gedruckte ist bis heute ein Publikumsmagnet geblieben – selten wirkt Frankfurt internationaler und quirliger als zur traditionell im Oktober stattfindenden Buchmesse. Das Gedruckte füllt keine Stände in der Buchgasse mehr, sondern sämtliche Hallen auf dem Messegelände.

Ohne Messe keine Börse
In den Römerhallen wurde zu Martin Luthers Zeiten offenbar so eifrig mit Gold und Schmuck gehandelt, dass der Reformator wenig schmeichelhaft von Frankfurt als „Gold- und Silberloch“ sprach. Das Gewirr der Währungen schien unendlich, das ständig hin und her Tauschen wurde als Handelshemmnis empfunden. Die Schmuck- und Goldhändler, die wohl über die meiste Erfahrung im Umgang mit Geld verfügten, sannen auf Abhilfe. Sie entwickelten die Idee, einen einheitlichen Kurs festzulegen. „Fremde Währungen wurden in Frankfurter Kreuzer umgerechnet“, erzählt Frank Berger. Die Stadt segnete das Vorhaben 1585 ab: Der erste behördliche kontrollierte Geldwechsel entstand – die Frankfurter Börse war geboren und mit ihr die Basis für die Entwicklung zur Finanzmetropole gelegt: Heute machen neben der Börse an die 400 Geldinstitute, die Bundesbank und die Europäische Zentralbank EZB Frankfurt zum wichtigsten Finanzplatz auf dem europäischen Kontinent.

Die Konkurrenz schläft nicht
Mit den Privilegien von 1240 und 1330 entwickelte sich „aus dem Kaufhaus der Deutschen“ ein „wimmelnder Markt für die Waren der Welt“, schreibt die Messe Frankfurt in einem historischen Abriss. Zeitweise sollen sich bis zu 40.000 Menschen in den engen Gassen am Römerberg gedrängelt haben, mehr als die mittelalterliche Stadt an Einwohnern zählte. Doch die Konkurrenz schlief nicht. Das wirtschaftlich liberalere Leipzig drohte Frankfurt spätestens im 19. Jahrhundert den Rang abzulaufen. Der wenig geschätzte Nachbar Offenbach machte den Frankfurtern um 1830 sogar einige Jahre Teile des lukrativen Messegeschäfts abspenstig, als die Mainmetropole wegen eines Zollvertrags vom Umland isoliert war und den Händlern in Offenbach die Zahlung des Zolls erspart blieb. Mit dem Beitritt Frankfurts zum Deutschen Zollverein 1834 endete das Zwischenspiel.

Industrielle Leistungsschauen
Die im Zuge der industriellen Revolution aufkommenden neuen Vertriebsformen, die die Anreise mit der kompletten Handelsware zugunsten von Produktmustern zurückdrängten, bereiteten Probleme. Die Frankfurter reagierten mit industriellen Leistungsschauen, deren Grundmuster sich bis heute in Muster- und Branchenmessen wie der IAA, der Automechanika, der ISH oder der Musikmesse spiegelt. „Wenn Frankfurts Messegesellschaft heute zu den Weltmarktführern im Messegeschäft zählt, dann nicht zuletzt deshalb, weil die Stadt sich nie auf ihrem Erfolg ausgeruht und die Messe selbst, aber auch die nötige Infrastruktur kontinuierlich weiterentwickelt hat“, skizziert Peter Feldmann, als Oberbürgermeister auch Aufsichtsratsvorsitzender, das Erfolgsmodell. „Und nicht zuletzt deshalb, weil sich über die Jahrhunderte eine Stadtkultur entwickelt hat, die Gästen das Gefühl vermittelt, willkommen zu sein und sich hier wie zu Hause fühlen zu können – manche nur ein paar Tage im Jahr, manche für immer.“

Tatsächlich ziehen die Messen jedes Jahr mehr als eine Millionen Besucher an, statt auf den Gassen spielt sich das Geschehen längst auf einem eigenen Messegelände in zehn immer wieder modernisierten und vielfach auch architektonisch anspruchsvollen Ausstellungshallen und der berühmten Festhalle ab. „Der Dreiklang Wahl- und Krönungsort, Markt- und Messeort und Geldort hat die Größe und den Reichtum Frankfurts begründet“, fasst Frank Berger eine Entwicklung zusammen, die vor 775 Jahren mit dem Privileg Kaiser Friedrichs II. begann. Das Leben im Frankfurt der Stauferzeit um 1240 lässt sich in der Ausstellung des Historischen Museums nachempfinden, in dessen Untergeschoss noch Überreste der Pfalz Friedrichs zu sehen sind.

Margarete Lausberg
Presse und Informationsamt der Stadt Frankfurt am Main, PIA