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Letzte Aktualisierung: 24.04.2024

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Greg Woolf: Rom. Die Biographie eines Weltreichs.

von Ilse Romahn

(27.04.2015)  Eine brillante Studie über das Römische Reich legt dar, wie Rom die Welt unterworfen und diese zivilisatorisch und politisch geeint hat


Dass Weltreiche vergänglich sind, lehrt die Geschichte. Selbst die Römer, die ihren Aufstieg zur Weltmacht als Erfüllung eines göttlichen Plans verstanden, mussten erkennen, dass alle Reiche vorübergehende Erscheinung sind – »regna peritura«.

Warum aber gerade das Imperium Romanum zu den langlebigsten Imperien der Weltgeschichte gehörte und welche Anziehungskraft noch heute von diesem supranationalen Staatengebilde ausgeht, davon handelt Greg Woolfs »Biographie eines Weltreiches«.

Mit großer Erzählkunst und analytischer Schärfe schildert der an der Universität St. Andrews, Schottland, lehrende Historiker, den beispiellosen Aufstieg Roms von einer kleinen Stadt in Mittelitalien zum Mittelpunkt einer Weltmacht, welche sich die Länder rund um das Mittelmeer untertan machte. Dieses Imperium erwies sich aber auf Dauer keineswegs als ein ›Gefängnis der Völker‹. Es ist vielmehr erstaunlich, wie schnell und wie fest sich die meisten Völker, die einst so erbittert für ihre Freiheit gekämpft hatten, in die res publica Romana eingliederten. Roms Stärke lag mehr noch als in der Schlagkraft seiner Armeen in der Fähigkeit, die Angehörigen der in ihrem Reich zusammengefassten Völker zu integrieren und diese an allen Vorteilen des eigenen Systems teilhaben zu lassen. »Diese Offenheit nach unten«, schuf eine einheimische Elite, die bereit war, für die Nähe zur Macht und die Annehmlichkeiten, welche die Segnungen der römischen Herrschaft boten, ihre alten Lebensformen über Bord zu werfen.

Dieser Integrationsprozess, manche nennen es auch »Romanisierung«, vollzog sich – wie der Autor aufzeigt – auf unterschiedliche Weise und in verschiedenen staatlichen Bereichen: Durch die Ergänzung des römischen Heeres durch Freiwillige aus der Nachkommenschaft der einstigen Gegner; durch die allmähliche Ausdehnung des römischen Bürgerrechtes als Kristallisationspunkt für eine gesamtprovinziale Identität; durch die Privilegierung provinzialer Kommunen in Form von sich selbst verwaltenden Städten; durch die Einbeziehung der Eliten der einzelnen Völker in die Reichsaristokratie, schließlich der Aufstieg von Hispaniern, Galliern, Afrikanern, Syrern auf den Kaiserthron.

Woolf zeigt, wie römische Herrschaft funktionierte; wie die Römer ihre Macht organisierten und die militärisch errungene Herrschaft auch kulturell zu fundieren vermochten. Er erörtert die Rolle von Institutionen, Bürokratie und Eliten – und unterstreicht dabei die Tatsache, dass die imperiale Administration Roms gerade einmal ca. 10.000 Staatsbeamte umfasste, um ein 5 Millionen Quadratkilometer großes Staatengebilde mit rund 80 Millionen Einwohnern zu verwalten. Ein Verwaltungsapparat, der sich gemessen an dem riesiger bürokratischen Apparat in Brüssel geradezu bescheiden ausnimmt.

Wer Woolfs Buch gelesen hat, versteht, wie aus Besiegten überzeugte Mitglieder einer Völkergemeinschaft wurden; wie das Imperium in der Kaiserzeit von einem von Italien aus beherrschten Kolonialreich zu einem Vielvölkerstaat wurde, in dem sich die Angehörigen der lokalen Eliten zumeist als Repräsentanten der römischen Staatsidee fühlten und zu dem sich auch die breiten Massen keine Alternative vorstellen konnten.

Woolfs Biographie des Römischen Reiches ist ein Lehrstück dafür, wie ein Imperium zahllose Völker, Staaten und Religionen einschließen kann, ohne daran zu zerbrechen. Ein packend geschriebenes Buch, das bis zur letzten Seite ein wunderbares Lesevergnügen ist.

Kletta-Cotta, Stuttgart 2015,
495 Seiten.
Preis: 29,95 €.
ISBN 3608948481
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Dr. Theodor Kissel