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Letzte Aktualisierung: 19.04.2024

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Frankfurt zum Lesen – der Bücherzettel zur Weihnachtszeit, Teil 1

von Anja Prechel / Thomas Scheben

(05.12.2017) An nass-kalten Winterabenden mit einem Buch im Sessel: In und aus Frankfurt gibt es immer wieder etwas Neues. Bücher mit Bezug zur Mainmetropole vermitteln jungen, alten und jung gebliebenen Frankfurtern und allen, die es werden wollen, Wissenswertes, Skurriles, Amüsantes, Abseitiges und Spannendes aus vergangenen Zeiten bis hin in die Gegenwart Frankfurts.

Hier ist Teil 1 Buchempfehlungen des Amts für Kommunikation- und Stadtmarketing Frankfurt – zum Verschenken oder Behalten. Teil zwei folgt. 

Wer trägt Evas Koffer?
„Ach, Sie lesen Eva Demski“, sagt die Dame auf dem U-Bahnsitz gegenüber. „Sehr schön. Demski schreibt immer intelligent, lebensklug und dennoch kurzweilig und unterhaltsam.“ Nie langweilig, vielmehr wie ein gemächlicher Gang durch die vergangenen sieben Jahrzehnte, bei dem sich hinter jedem Seitenwechsel etwas Neues entdecken lässt, liest sich auch Demskis aktuelles Buch „Den Koffer trag ich selber“. Die Lebenserinnerungen der Autorin beginnen auf einer Rolltreppenfahrt auf der Frankfurter Buchmesse. Blicken zurück zum Tag ihrer Geburt, den es, wäre es nach ihrer Mutter gegangen, gar nicht hätte geben sollen.

Demski nimmt ihre Leser mit in die Gassen von Regensburg, wo sie ihre Nachkriegskinderjahre verbringt, wo Tod und Teufel allgegenwärtig sind. Überhaupt, der Tod. Auch in Frankfurt, wo sie mit Vater und Mutter 1954 hinzieht – „vom Patrizierhaus in die Dachkammerbohème“, Eva zur stillen Beobachterin bei Erwachsenenabenden wird und mit Freunden „in den sicheren Verstecken existenzielle Fragen“ erörtert. „Immer wieder der Tod. Vom Tod konnten wir nicht genug kriegen.“

Demski studiert in Mainz und Freiburg, jobbt als Kellnerin, Nachtwache im Krankenhaus und als Arbeiterin in einer Gurkenfabrik, kehrt schließlich zurück nach Frankfurt, wird sesshaft und ist dennoch ständig unterwegs – als Journalistin. 1979 veröffentlicht sie ihr erstes Buch. „Das Gefühl, das Buch in der Hand zu halten, mit seinem schönen gelben Umschlag, kam so nie wieder. Ich hatte sechs Exemplare zu Hause vor mir aufgebaut und trank mit mir selber eine Flasche Champagner.“ apr

Eva Demski: Den Koffer trag ich selber – Erinnerungen, Insel Verlag: Berlin 2017, 397 S, 20 Euro

Wie bleibt Frankfurt gesund?
Die Sorge um die Gesundheit der Stadtbevölkerung gehörte seit jeher zu den zentralen Aufgaben jedweder Stadtregierung. Ein erster Stadtarzt ist urkundlich für 1382 bezeugt, und seitdem haben sich Stadtärzte, Stiftungen, Kommissionen und Behörden in unterschiedlichen Organisationsformen mit Seuchenvorbeugung, Hygiene und medizinischer Versorgung befasst.

Die Einrichtung eines Gesundheitsamtes in seiner heutigen Gestalt war im Jahr 1917, wie die anderer Fürsorgeeinrichtungen auch, eine Reaktion auf die Nöte des Ersten Weltkrieges, als Versorgungsengpässe die Gesundheit vor allem von Kindern und Jugendlichen untergruben und der Ausbreitung von Infektionskrankheiten Vorschub leisteten. Das beklemmende Kapitel der NS-Zeit, in der sich auch das Gesundheitsamt in den Dienst von Rassenwahn und Biologismus stellte, will das Amt noch einer speziellen Aufarbeitung unterziehen.

Schnelle Verkehrsverbindungen, Tourismus und Migrationsbewegungen machten Frankfurt in der Nachkriegszeit mit seinem internationalen Flughafen zu einem Einfallstor für Krankheitserreger aller Art. Bis heute bildet die Bekämpfung von Seuchen durch Aufklärung, Impfkampagnen und vor allem Hygienemaßnahmen eine der wesentlichen Herausforderungen. Waren es bis in die Nachkriegszeit hinein Cholera, Polio und Geschlechtskrankheiten, so machen heute AIDS, Schweinegrippe, SARS und MERS von sich reden, und auch längst besiegt geglaubte frühere Volksseuchen wie die Tuberkulose kehren zurück. Drogenproblematik, AIDS und Umweltgifte machten neue Formen der Kommunikation und Information erforderlich.

Mit zahlreichen Abbildungen und Info-Boxen mit Hintergrundinformationen beschreibt „Aufklärung – Vorsorge – Schutz. 100 Jahre Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt“ die vor allem in den vergangenen Jahrzehnten sehr erfolgreiche Arbeit des Gesundheitsamtes. In einem Interview werfen der gegenwärtige Leiter des Amtes und seine Stellvertreterin am Schluss einen Blick in die Zukunft. ts

Sabine Börchers: Aufklärung – Vorsorge – Schutz. 100 Jahre Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt, 232 S., Henrich Editionen: Frankfurt 2017, 19,95 Euro

Wo geht Mann in Frankfurt hin?
Frankfurt bietet Vieles für alle, aber auch Manches für ganz spezielle Gruppen, und so gibt es bereits eine Anzahl Hinweisbücher in gleicher Aufmachung für Orte, die manchen Menschen mehr bedeuten als anderen. Jetzt also auch ein Frankfurt-Buch für Männer – „101 Männerorte“. Wobei die Autoren, darunter auch eine Frau und allesamt ausgewiesene Kenner der Stadt, um die augenzwinkernde Feststellung nicht herumkommen, dass es exklusive Männerorte eigentlich kaum noch gibt, denn „Frauen irrlichtern inzwischen in allerhand Männerdomänen herum“.

Da gibt es Kulinarisches wie Hinweise auf die immer beliebteren Kleinbrauereien besonderer Biersorten, Läden mit Whisky nebst Seminaren darüber und einen Club kochender Männer, Wegweiser zu Orten, die noch ziemlich exklusive Männerdomänen sind wie Freimaurer und Studentenverbindungen, und da Männerkörper bekanntlich eigentlich von einem Kind bewohnt werden, wird das Eisenbahnmuseum vorgestellt. Der emanzipierte Mann findet einen Geburtsvorbereitungskurs für den werdenden Papa, kann sich bei Pro Familia beraten lassen und wenn’s mit der Ehe nicht geklappt hat den „Väteraufbruch“ für Scheidungsväter konsultieren. Allerdings kommen auch Orte vor, wo Mann garantiert nicht landen möchte: So werden auch Männerknast und Ausnüchterungszelle mit einem Beitrag bedacht. Erinnert wird auch daran, dass in der Festhalle 1938 jüdische Männer zusammengetrieben, gedemütigt und gequält wurden.
Vorgestellt werden die 101 Männerorte jeweils mit einer Bild- und einer Textseite, wobei auch immer die Anschrift der Orte, Vereinigungen oder Institutionen angegeben wird. ts

Christian Setzepfandt, Frank Berger, Jutta Zwilling: 101 Männerorte, Societätsverlag: Frankfurt 2017, 216 S., 12,80 Euro

War früher wirklich alles besser?
Das Frankfurt der Goethezeit hat nicht nur einen Dichterfürsten hervorgebracht, sondern beherbergte auch jede Menge zwielichtige Elemente; und Kriminalität und Gewalt waren im Alltag allgegenwärtig. Das ergibt die Auswertung eines großen Bestandes von Polizeiakten, die der langjährige Archivar Konrad Schneider gesichtet hat.

In „Mörder, Diebe und Betrüger. Kriminalität in Frankfurt im 18. Jahrhundert“ erfährt man zunächst einiges zu diesen Akten, die den Zweiten Weltkrieg im Stadtarchiv überstanden haben, ebenso zur Organisation der Strafverfolgungsbehörden, des Gerichtswesens und des Strafvollzugs. Dabei hatte sich ungeachtet der Zersplitterung des Deutschen Reiches in zahlreiche kleine und kleinste Herrschaftsgebiete ein dichtes Kommunikationsnetz etabliert, das eine Strafverfolgung und Auslieferung selbst über größere Entfernung bis ins benachbarte Ausland ermöglichte, und sogar in Kriegszeiten zwischen den Beteiligten weiter funktionierte. Bei der Strafzumessung holten Frankfurter Gerichte nicht selten Gutachten von den Rechtsfakultäten der umliegenden Universitäten ein.

Nicht von ungefähr stehen Gewaltdelikte am Anfang der Darstellung der verschiedenen Straftaten. Die Gewaltneigung war im Alltagsleben sehr hoch, Konflikte zwischen rivalisierenden Handwerkerzünften und Dörfern, aber auch in Familien wurden häufig mit großer Brutalität ausgetragen, in Massenschlägereien waren tödliche Verletzungen nicht selten. Oft musste das Stadtmilitär eingreifen, um wieder für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Taschendiebstahl bei Messen und Festivitäten, Diebstahl, Einbruch, Hehlerei, Betrügereien und arbeitsteilig organisierte Geld- und Urkundenfälschungen gehörten damals wie heute zum Tagesgeschäft der Polizeibehörden. Andere Kriminalitätsformen wie das Unwesen von Räuberbanden vor allem im Umland, Kindsmord namentlich lediger Mütter – einen dieser Prozesse hat Goethe im „Faust“ verarbeitet – und Bigamie, Lotteriebetrug, Menschenhandel im Umfeld der Soldatenanwerbung sind mit der Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse aus den Kriminalitätsstatistiken verschwunden.

So vermittelt der ausgesprochen kurzweilig zu lesende Band neben dem eigentlichen Thema auch vielfältige Einblicke in das Alltagsleben einer Epoche, die für viele Menschen in der Stadtgesellschaft, vor allem an deren Rändern, alles andere als eine „gute alte Zeit“ war. ts

Konrad Schneider: Mörder, Diebe und Betrüger. Kriminalität in Frankfurt im 18. Jahrhundert, Waldemar Kramer Verlag: Frankfurt 2017, 144 S., 16,90 Euro

Welche Farbe hat Frankfurt?
Natürlich kann man sich darauf versteifen, dass Hochhäuser wie „das Gerippte“ silbrig schimmern, der Sandstein von Dom und Römer rötlich daherkommt und Ebbelwei gülden aus dem Glase leuchtet. Aber es könnte doch auch ganz anders sein …. Bulle und Bär mal pink, der Eiserne Steg grasgrün und die Alte Oper quietschbunt.
Das sind einige der insgesamt 30 Motive, deren Umrisse das Malbuch „Mal Regional – Frankfurt“ zum Ausmalen für Kinder und solche, die es bleiben wollen, bereithält – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Nach einem knappen Stadtporträt gib es zu jedem der Motive einen kurzen Erläuterungstext, sodass man mit dem Buntstift in der Hand gleichsam auf Stadterkundung und Stadtgestaltung gehen kann. ts

Mal Regional – Frankfurt am Main. Lieblingsstadt zum Ausmalen, Gmeiner Verlag: Meßkirch 2017, 64 S. 7,99 Euro 

War Frankfurt ein Traum?
Als literarischer Chronist der ausgehenden kaiserlich und königliche-Monarchie war Joseph Roth mit Romanen wie „Radetzkymarsch“ einer der erfolgreichsten Schriftsteller der 20er Jahre. Er war aber auch – und vor allem – ein glänzender Journalist, der zwischen 1923 und 1931 für die Frankfurter Zeitung, Vorläuferin der heutigen FAZ, als Reisereporter berichtete. Zwar lebte er zumeist in Hotels aus dem Koffer, hielt sich aber oft und gern in Frankfurt auf und erzählte seinen Lesern von einer Stadt, die er nicht aus der Innensicht eines Lokalredakteurs, sondern mit den Augen eines auswärtigen Beobachters betrachtete.

„Ingeborg von Lips: Joseph Roth. Ein Frankfurt-Lesebuch“ versammelt eine Anzahl von heute weitgehend unbekannten Artikeln und Briefauszügen, angereichert durch Erinnerungen und Korrespondenzen seiner hiesigen Kollegen. Sie zeichnen Bilder aus dem Frankfurt der Weimarer Republik, vermitteln Einblicke in die Arbeitsweise der Zeitungsredaktion, Eindrücke von der Frankfurter Messe, einer Postausstellung im Römer und der Krönung einer Schönheitskönigin, werfen Schlaglichter auf den politischen Diskurs dieser unruhigen Zeit, und man begegnet bekannten und weniger bekannten Zeitgenossen aus der Kulturszene.

Immer wieder lässt die Autorin Roth mit Feuilletontexten zu Wort kommen, in denen er hinter den Porträts scheinbar kleiner Leute Kultur und Lebenswirklichkeit eines Frankfurt durchschimmern lässt, das seiner Empfindung nach „aus einer Stadt und einem Traum besteht“, wobei er den Traum in einem poetischen Porträt der Frankfurter Altstadt verortete. ts

Ingeborg von Lips: Joseph Roth. Ein Frankfurt-Lesebuch, Societätsverlag: Frankfurt 2017, 184 S., 19,80 Euro