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Letzte Aktualisierung: 25.04.2024

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Das Cilento

Italiens unbekannter Süden

von Gesine Unverzagt

(28.04.2017) „Willkommen im Paradies“, begrüßt uns Andrea Bifulco, ein strahlender Lockenkopf und Gastgeber des Hotel Calanca. Nach drei Stunden Fahrt von Neapel in Richtung Süden, erreichen wir Marina di Camerota, wo wir einige Tage verbringen werden, um das Cilento zu erkunden.

Bildergalerie
Kirche in Marina di Camerota
Foto: Gesine Unverzagt
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Bergdorf Camerota
Foto: Gesine Unverzagt
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Bewohner von Marina di Camerota
Foto: Gesine Unverzagt
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Produkte des Cilento
Foto: Gesine Unverzagt
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Töpfer Pompeo Cammarano
Foto: Gesine Unverzagt
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Im Cilento leben viele von der Fischerei
Foto: Gesine Unverzagt
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Wandern in unberührter Natur
Foto: Gesine Unverzagt
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Hotel Calanca
Foto: Gesine Unverzagt
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In der Cantina Marchese scheint der halbe Ort versammelt zu sein, um uns zu empfangen. „Alles meine Freunde! Gemeinsam wollen wir Euch unsere Heimat zeigen“, ist Andreas Ansage. Es wird üppig aufgetischt, der Wein fließt in Strömen.

Das Gebiet südlich von Neapel war früher das Armenhaus Italiens, die Menschen wanderten aus, verdingten sich als Gastarbeiter in Deutschland und Frankreich, oder sie zogen nach Venezuela auf der Suche nach Arbeit, denn in dieser Gegend gab es keine Industrie. Man lebte vom Fischfang. Inzwischen wurde der Tourismus als Einnahmequelle entdeckt. Das Ursprüngliche, die wilde Natur und die freundlichen Menschen machen den Charme dieser Gegend aus.

Marina di Camerota ist ein kleiner, lebendiger Ort in einer Bucht mit engen Gassen, einer eindrucksvollen Kathedrale und einer Piazza, um die sich traditionelle Häuser schmiegen.

Andrea und sein Schulfreund Luca haben sich gemeinsam vorgenommen, das Cilento bekannt zu machen und das mit „Passione“, wie sie sagen. Das gelingt den beiden sofort mit viel Charme und Begeisterung in einer sprachlichen Mischung aus Italienisch und Englisch.

Vor kurzem übernahm Andrea die Leitung des Hotels von seinem Vater, modernisierte das Haus zu einer gemütlichen Zuflucht mit Wlan. Der 37-Jährige kümmert sich persönlich um jeden Gast, bei Annamaria, der Köchin des Hauses, kann der Besucher die Herstellung typischer Gerichte des Cilento erlernen. Andrea gehört zur Generation der Kinder der Gastarbeiter, die anpacken können. Gemeinsam mit seiner Freundin Valentina, die aus Neapel dazu kam, und mit Luca motiviert er den gesamten Ort, neue Wege zu gehen. Während Andrea die Gäste in seinem Hotel verwöhnt, ist Luca Inhaber der Manufaktur AURA in Palinuro, einer traditionellen Verarbeitung von Sardellen. Außerdem bietet er Touristen Wanderungen an, die ganz besonders sind. Je nach Jahreszeit organisiert er Themen-Wanderungen um z.B. Wildspargel zu sammeln, die danach gemeinsam verarbeitet werden. Im Herbst gehts durch die wilde, unentdeckte Berglandschaft, um das Pilze Sammeln zu erlernen. Auch die Kaktusfrüchte oder die wild wachsenden Hülsenfrüchte Maracuoccio di Lentiscosa werden während einer Wanderung gesammelt, um gemeinsam verarbeitet und verspeist zu werden. Wenn das wilde Meer es zulässt, fährt er mit den Gästen hinaus aufs Meer zum Sardellenfang. Und das alles mit „Passione“, denn schließlich befinden wir uns im Paradies. Da sind sich alle einig!

Wir machen eine Bootstour mit Alessandro, einem weiteren Freund des Cilento-Duos, entlang der Küste, die zum Naturschutzgebiet erklärt wurde. Wir bestaunen die zerklüftete Küste mit den hoch aufragenden Kalksteinfelsen, um an einem abgelegenen Strand eine Wanderung zu beginnen. Sieben km geht es bergauf und bergab, während Luka uns auf Flora und Fauna aufmerksam macht. Unser Ziel ist der weit abgelegene Pozzalo Sandstrand mit einer kleinen, bescheidenen Trattoria. Dort begrüßt uns die Familie Márchese. Antonietta, die Hausherrin, spricht Deutsch, denn sie hat sieben Jahre in Stuttgart gearbeitet.

Landeinwärts besuchen wir den Ort Camerota, der malerisch hoch oben auf einem Berg liegt. Durch die engen Gassen des menschenleeren Ortes führt uns Alfredo in bestem Deutsch. „Kommen Sie, schauen Sie,“ ruft er anfeuernd. Alfredo war Gastarbeiter im Ruhrgebiet. Heute stellt er uns seinen Freund Pompeo Cammarano vor, der einzig verbliebene Töpfer des Ortes, den wir bei seiner Arbeit zuschauen dürfen.

Zurück in Marina di Camerota erleben wir in der Taverna del Mozzo die Kochkünste von Davide Mea, auch er ein Freund, der mit viel Kreativität die cilentanische Küche verfeinert. Er benutzt nur heimische Zutaten, die besonders schmackhaft und dekorativ zubereitet werden. Ganz anders als die Gerichte in der Antica Tratttoria da Valentone. Hier wird bodenständig und traditionell gekocht, die Portionen sind riesig.

Besonderes Flair hat die Taverna Ammore e Mare. Der charmante Hausherr Pepé Troccoli kehrte zurück aus Venezuela. Es war die Sehnsucht nach dem Meer und den Menschen seiner Heimat, die ihn zurückkommen lies. Entsprechend wählte er den Namen seines Ladens, der bis unter die Decke mit Antiquitäten bestückt ist, die einen Bezug zum Meer haben.

Auch Eugenio Cioffi lebte in Deutschland, er studierte Medizin an der Humboldt-Universität. Er kehrte zurück in das Dorf seiner Ahnen, um gemeinsam mit seiner Frau Angela, einer Mailänder Ingenieurin, die Firma Murikè zu gründen, die Feigen in allen Variationen verarbeitet.

Wir fühlen uns eingebettet in den großen und herzlichen Freundeskreis der Rückkehrer und deren Kinder. Auch wir werden eines Tages zurückzukehren. Da sind wir ganz sicher.

Informationen:
Anreise: Flug nach Neapel, von dort aus mit dem Leihwagen nach Marina di Camerota

Übernachtung:
Hotel Calanca www.hotelcalanca.com

Ausflüge vor Ort
organisiert Luca Cella von der Manufaktur Aura, Tel.: 0039-329-5966496, E-Mail: aura@aura.cilento.com

Speis und Trank:
Kreativ: La Taverna del Mozzo Tel. 0039-3497888445

Traditionell: La Cantina del Marchese Tel. 0039-3939664352 oder Antica Trattoria da Valentone Tel. 0039-3297846903

Originelles Ambiente: Ammor e`Mar Tel. 0039-3296224368