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Letzte Aktualisierung: 25.04.2024

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Das Archäologische Museum hat sich seiner NS-Vergangenheit gestellt

von Ilse Romahn

(20.06.2018) Die Geschichte der Frankfurter Antikensammlung in der NS- und frühen Nachkriegszeit ist komplex und berührt alle für die Zeit relevanten Themenkomplexe. Viele Vorgänge lassen sich bis in die Details klären, anderes – vor allem Denken und Verhalten der damaligen Museumswissenschaftler – bleibt in einer unklaren Schwebe.

Im Rahmen der Frankfurter Kulturpolitik lässt sich jedoch ein plastisches Bild der Zeit erkennen: Abgesehen vom Bemühen um regionale Eigenständigkeit, füllte die Kulturpolitik und im Besonderen die Museumspolitik den von der NS-Ideologie vorgegebenen Rahmen aus; ihre Protagonisten verstrickten sich unter Aushöhlung ihres Rechtsempfindens zunehmend, so dass auch für Frankfurt als Fazit gilt: „Wissenschaftler zeigten sich durchaus willens und auch in der Lage, sich und ihre Arbeit auf die verschiedensten politischen und institutionellen Umstände einzustellen, solange die finanziellen und sonstigen Ressourcen, die lokale Autonomie und das Prestige ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit hinreichend gewährleistet schienen“ (Mitchell G. Ash, Prof. Dr., wissenschaftlicher Autor und Hrsg.).

Zu den Protagonisten der Frankfurter Kultur- und Museumspolitik gehörten: Friedrich Krebs (1894–1961), Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main 1933–1945; Rudolf Keller (1878–1960), Stadtrat und Leiter des Schul- und Kulturamtes der Stadt Frankfurt am Main 1927–1946; Walter Mannowsky (1881–1958), Direktor des Museums für Kunsthandwerk 1938–1948; Alfred Wolters (1884–1973), Direktor der Städtischen Galerie 1928–1948; Ernstotto Graf zu Solms-Laubach (1890–1977), Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums 1938–1945 und des Museums für Kunsthandwerk 1949–1965; Ernst Langlotz (1895–1978), Ordinarius für Klassische Archäologie an der Universität Frankfurt 1933–1940.

In Reaktion auf die Washingtoner Erklärung von 1998 überprüfte auch das Archäologische Museum bereits im Jahr 2000 seine Bestände auf Raubkunst aus der NS-Zeit. Erste Recherchen zu den Beständen der Antikensammlung des Archäologischen Museums Frankfurt konnten verschiedene Verdachtsfälle von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut aufzeigen.

Aufgrund dieser Verdachtsfälle wurden im Rahmen eines vom Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste geförderten Forschungsprojekts sämtliche Zugänge archäologischer Objekte in das Museumsdepot zwischen 1933 und 1945 systematisch auf ihre Provenienz hin untersucht. So haben in der NS-Zeit etwa 3334 archäologische Objekte ihren Weg in das damalige Museum für heimische Vor- und Frühgeschichte gefunden.

Im Rahmen der Provenienzforschung wurden Funde mit fraglicher Herkunft einer intensiveren Ermittlung unterzogen. Über die zur Verfügung stehenden Akten – Besprechungsprotokolle, Anträge, Verfügungen, Briefe und Aktennotizen – wurde versucht, authentische Eindrücke von den Aktivitäten aus der NS-Zeit auf kulturellem Gebiet zu beleuchten.

Die Publikation zur Provenienzforschung am Archäologischen Museum Frankfurt erscheint im Spätsommer 2018 im Verlag Schnell & Steiner. Dazu zeigt das Museum vom 18. Juli bis zum 2. September eine kleine Schau mit ausgewählten Objekten, die während der NS-Herrschaft (1933–45) erworben wurden. Der Vortrag zur Eröffnung „Zum Wohle der Stadt? Ein Antikenmuseum für Frankfurt – ein Plan der NS-Zeit“ der Hauptautorin Dagmar Stutzinger beginnt am 18. Juli um 18 Uhr.