Das Online-Gesellschaftsmagazin aus Frankfurt am Main

Letzte Aktualisierung: 25.04.2024

Werbung
Werbung

Blau ist die weltweit beliebteste Farbe

Beauty-Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst

von Karl-Heinz Stier

(13.05.2019) Was ist Schönheit und warum fühlen wir uns von ihr anzogen? - Das bewegt über Jahrtausende hinweg die Menschheit und insbesondere Kunst, Musik, Literatur, Film, Mode und Philosophie. Aber warum geht die Menschheit im 20. und 21. Jahrhundert mit der Schönheit nicht mehr „zuvorkommend“ um ? Neben den verheerenden Kriegen und der jetzigen Ausbeutung des Planeten Erde mit der Folge des Klimawandels wurden weite Teile der Welt weniger schön.

Bildergalerie
Direktor Wagner K (links) und Stefan Sagmeister
Foto: Karl-Heinz Stier
***
Eine Gläsersammlung vom 15. Jahrhundert bis heute
Foto: Karl-Heinz Stier
***
Anselm Feuerbach mit seinen Frauengemälden
Foto: Karl-Heinz Stier
***
Braun und Rechteck- die unbeliebtesten Form und Farbe
Foto: Karl-Heinz Stier
***

Der Begriff Schönheit wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts meist aufgegeben und ist immer noch ein Gräuel für zeitgenössische Künstler und andere brillante Köpfte, meint Matthias Wagner K, der Direktor des Frankfurter Museums für Angewandte Kunst: „Wir glauben, dass die Ablehnung der Schönheit  zugunsten der rein funktionalen Betrachtung zutiefst dumm ist. Schönheit ist das Quantum Menschheit, das unser Leben besser macht. Einst eine universelle Sehnsucht endet das Streben nach Schönheit im vorletzten Jahrhundert in einer Bruchlandung“.

Stefan Sagmeister, der in New York lebende Koryphäe des Grafikdesigns, liefert nunmehr gemeinsam mit seiner Studiopartnerin Jessica Walsh in seinem neuen Ausstellungsprojekt „Beauty“ eine kritische Durchleuchtung der Entwicklung und stellt dagegen zur Gegenwart ein ganz persönliches, visuell  beeindruckendes Plädoyer für die Lust am Schönen. Nach ihrer Premiere in Wien belegt seine Ausstellung das gesamte erste Obergeschoss des Museums. In rund 70 Objekt-Gruppen, gegliedert in sechs Ausstellungsthemen, entfachen die beiden Künstler „einen ästhetischen Diskurs als Paradigma für hochwertige Gestaltung“ – wie es in der Information zur Ausstellung heißt.

Schönheit sei gefährdet durch die Geschwindigkeit der Zeit, die sie im Keim erstickt, führt der Generaldirektor des Österreichischen Museums für Kunst in einem Einleitungsaufsatz aus: „Schönheit braucht die Kontemplation. Doch diese ist zum neuen Luxus geworden, der nur denen zur Verfügung steht, die es sich leisten können, während die großen Massen unerbittlich in immer schnellere Lebensmuster getrieben werden. Slow Food ist für die wenigen Glücklichen, während Fast Food die Welt regiert“.

Das Design-Duo Sagmeister und Walsh dokumentieren an Beispielen wie durch Sehen, Riechen und Fühlen schön gestaltete Arbeiten die menschliche Wahrnehmung stimulieren und damit zum besseren Funktionieren anleiten. Gerade das Gegenteil seien amerikanische Flughäfen. Sie gelten im Gegensatz zu europäischen als oberflächlich und rein kommerziell. „Dort, wo wie hier der reine Funktionalismus vorherrscht, werden die Menschen aggressiver. Die Designer sind faul, weil es einfacher ist, nur die Probleme über reine Funktionen zu lösen.“ Damit mache man den Menschen keine Freude. Man brauche aber schon im Leben des Menschen schöne Momente. Die meisten Architektenfirmen bauten nicht ästhetisch, sondern formspezifisch. „Wie fühle ich, wenn ich was sehe, spielt kaum eine Rolle“. Ein weiteres Beispiel für Gefühlsarmut zeigt die Gegenüberstellung von U-Bahn– oder Metro-Stationen in Wien und Moskau, kahle Zementwände kontra schmückende, gefühlsbetonte Bauten. Der gestalterische Ansatz beim Entwurf von Gebäuden, Produkten und graphischen Arbeiten ist rein analytisch, die Materialauswahl gänzlich rational, die Funktionalität ist das alleinige Ziel.

Beispiele aus allen Epochen der Menschheitsgeschichte lassen im Ausstellungsbereich „Die Geschichte der Schönheit“ keinen Zweifel am historischen Begehren nach Schönheit. Als sexuell anziehend empfinde man nicht nur physische Schönheit, sondern auch die Fähigkeit schöne Dinge zu kreieren. Anhand von Trinkgläsern in einer Vitrine wird deutlich, wie die Schönheit der Objekte über mehrere Jahrhunderte immer mehr zu dem rein Funktionellen verkommt und beim Plastikbecher endet. „Gerade dieses Beispiel zeigt, dass Schönheit nicht nur beeinflusst, wie wir uns fühlen, sondern verändert auch, wie wir uns verhalten“, betont das Design-Duo. Ein typisches Beispiel wie besessen das 19.Jahrundert von der Schönheit war, zeigt der Maler Anselm Feuerbach mit seinen Arbeiten. Frauengemälde waren sein ganzes Schaffen.

Im Kapitel „Im Auge des Betrachters“ werden Ähnlichkeiten in verschiedenen Kulturen und Zeitepochen deutlich. Sie belegen, dass ästhetisches Empfinden weniger subjektiv ist als gemeinhin angenommen wird. Es gibt in vielen Punkten eine Übereinstimmung. Das gilt zum Beispiel für die Farbauswahl. Auch wenn Männer Blau mit einem größeren Abstand bevorzugten, war die Farbe für Frauen gleichermaßen die erste Wahl. Zur Erklärung: Blau ist der Himmel und Blau ist das Meer. Braun galt als die unbeliebteste Farbe. Auch zum Thema Formen gab es weitgehende Übereinstimmungen: Fast jeder Zweite wählte den Kreis als schönste Form, während nur Zwei von Hundert das Rechteck vorziehen, es war die unbeliebteste Form. Sieht man die historische Architektur an – in fast jeder Kultur – spielt das Rechteck dort eine weniger bedeutende Rolle im Gegensatz zum Kreis oder der Kugel.

Übrigens: die Eintrittskarte ist mit geprägten Münzen versehen, die auch zum Abstimmen über Lieblingsformen, -farben und –gerüche eingesetzt werden können.

Schönheit hat auch ein „transformatorisches Potential“, ein weiteres Kapitel der Ausstellung soll die Welt verbessern helfen. Der französische Designer Leannot schafft gemeinsam mit mexikanischen Müllsammlern einen ansprechenden Kronleuchter aus Plastikmüll. Das Best-Off des Museums für Angewandte Kunst gibt im letzten Kapitel „Contemplating Beauty“ die Möglichkeit, dem Schweizer Grafiker Woodtli bei der Entstehung einer Plakatkampagne über die Schultern zu schauen oder einen Thonet-Sessel aus der Sammlung abzuzeichnen und die Kopie  in der Ausstellung zu hinterlassen.

Die Sagmeister & Walsh Beauty-Ausstellung ist die zweite im Museum für Angewandte Kunst. Mit „The Happy Show  im September 2018  ließ er das Publikum an einer Suche nach dem Glück teilhaben.

Die neue Ausstellung endet am 15. September. Öffnungszeiten: DI, DO-SO 10 bis 18 Uhr, MI 10-20 Uhr. Eintritt: 12 Euro, ermäßigt 6 Euro (Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre, Studenten).

Infos unter: info.angewandte-kunst@stadt-frankfurt.de oder www. museumangewandtekunst.de   Tel: (069)21232828/75339/73243