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Letzte Aktualisierung: 19.04.2024

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Baden ohne Wasser

Wenn der Wenn der Wald ruft: Zu Besuch beim deutschen Pionier des Waldbadens im Wellnesshotel Kranzbach

von Karin Willen

(22.06.2017) Abgeschieden im Landkreis Garmisch-Partenkirchen, auf buckeligen Wiesen inmitten der Bayerischen Staatsforste liegt das Hotel Kranzbach, das sich mit dem Schloss Elmau die private Mautstraße teilt. Von den großen Außenpools blickt man ebenso auf die Wälder wie von der überdachten Frischluftterrasse des riesigen Ladys-Spas oder von der Panoramasauna: rundum nichts als Bäume, knorrige, bemooste, abgestorbene und junge aufragende.

Bildergalerie
Von Wald umgeben: Pool im Kranzbach
Foto: Foto: Das Kranzbach
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Das Kranzbach: einst das Refugium einer vermögenden englischen Lady
Foto: Foto: Karin Willen
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Atmen und dabei Terpene in sich aufnehmen: Wellness-Ärztin Dr. Müller
Foto: Foto: Karin Willen
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Gesundes Spazieren gehen: Waldwellness mit der Ärztin
Foto: Foto: Karin Willen
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Wir befinden uns am Fuße des Wettersteingebirges in Bayern. Zum Waldbaden. „Das ist so etwas wie der fließende Übergang von Wellness zur Reha“, umschreibt Dr. Christine Müller ihre Behandlung mit nichts als Natur. Sie ist von der besonderen Kraft des Waldes überzeugt: „Vor allem nach Regen und im Sommer schweben viele Terpene in der Luft, die uns gut tun.“ Terpene sind für Bäume, aber auch für Kräuter, Moose, Farne und Pilze das, was für Menschen hauptsächlich die Sprache ist: Mittel der Kommunikation. Mit dem reichhaltigen Waldsauerstoff atmen wir Menschen diese Botenstoffe ein und nehmen sie über die Haut auf. Das macht das Immunsystem fit. So weit die wissenschaftliche Erklärung der Ärztin im Wellnesshotel Kranzbach in Klais, mitten im bewaldeten Hochtal.

Dort hat sich vor etwa hundert Jahren die vermögende englische Geigerin Mary Portman ein Schloss auf die Buckelwiesen gebaut, die die Eiszeit in Bayern hinterlassen hat. Mit Blick auf Zugspitze, Karwendel und Wetterstein. Um das steinerne Haus passte ein österreichischer Investor vor zehn Jahren Gartentrakte mit viel Holz und Blick ins Grüne und ein weitläufiges Badehaus diskret in die Wiesenwellen ein. Hier wird das japanische Waldbaden, Shinrin-Yoku, groß geschrieben: Mit allen Sinnen eintauchen in den Wald. „In Japan ist das eine anerkannte Heilmethode für Stressgeplagte und Depressive“, sagt Müller. „Es beeinflusst auch Herz-Kreislauferkrankungen positiv.“ Die gebürtige Frankfurterin und ausgebildete F.X. Mayr-Ärztin empfiehlt Waldbaden aber eigentlich jedem: „Der Wald ist ein Erlebnisraum, in dem man wunderbar zu sich selbst zurückfindet“.

Unterwegs mit der Ärztin im 13 Hektar großen Kranzbach-Areal zur Yogaplattform im Wald. „Spüren Sie den Waldboden unter Ihren Füßen, riechen Sie die würzige Luft und lassen Sie sie tief in Ihre Lungen hinein“, sagt sie und schreitet über den ungewöhnlich weichen Trampelpfad voran, der sich um die Bäume windet. Es geht hinauf in den Mischwald, vorbei an einem zwischen dichten Fichten versteckten Baumhaus, das als Refugium heißbegehrt ist. Auf dem Boden Pilze, Moose, Flechten und verrottende Äste.

Müllers natürliches Achtsamkeitstraining gipfelt in Atemübungen auf den Lärchenbohlen der Yogaplattform. „Der Kranzbachwald ist gänzlich naturbelassen, wie eine Insel im aufgeräumten Bayerischen Staatsforst“, erklärt sie die entrückte Atmosphäre. Kein Lärm, keine Hektik, nur Vogelgesang bereichert die Szene. Die Magie des Waldes auf die Psyche erschließt sich hier auch ohne mystisch-wabernden Bodennebel. „Der Aufenthalt in diesem Mikroklima auf 1030 Metern Seehöhe führt zu einem ruhigeren Puls, macht die Gefäße elastischer und wirkt blutdrucksenkend. Und das nebenwirkungsfrei“, bringt Müller wieder die medizinische Wirkung mit ins Spiel. Dann schwingt sie die Arme und geht mit langem Ausatmen in die Knie. Einfach nur da sein, tief einatmen und das Grün auf sich wirken lassen. Irgendwie springt die Begeisterung der Ärztin für den Wald über, und die Gäste müssen sich für das Aktivprogramm wie Wandern und Yoga erst gar nicht extra motivieren. Der Wald hat jetzt auch sie gerufen.

Waldbaden, die natürliche Gesundheitserhaltungs- und Entspannungsmethode aus Asien, ist über Amerika in Europa angekommen. Noch ist es zwar nicht so weit, dass die Gäste in Klais auf Hängematten zwischen den Bäumen schaukeln wie in Korea. Das kann man aber schon im Westerwald. Doch Hoteldirektor Klaus Kling plant gerade einen Onsen, ein japanisches heißes Quellbad in der Natur. Bislang speist die hauseigene Quelle nur das Trinkwasser und die Schwimmbecken.

„NaRuBeWe“ haben die Kranzbacher das Shinrin-Yoku in ihre Hotelphilosophie übersetzt: Natur, Ruhe, Bewegung und Wellness. Tatsächlich wirken Wiesen, Wald und Berge in jeden Raum des Hauses zumindest durch die Fenster hinein. Auch im großen Bergspa, in den Yoga- und Fitnessräumen. Mit Arnika und anderen Kräutern, Latschenkiefern- und Zirbenöl sowie Bergsalz oder Heu für Leberwickel bringen die Masseure und Therapeuten die Wirkstoffe des Waldes in den Körper. „Intuitiv hat der Mensch schon immer gespürt, dass der Wald ihm guttut“, sagt Müller. „Heute wissen wir, dass die Terpene des Waldes wie kleine Medikamente wirken. Also atmen Sie einfach, den Rest übernimmt der Wald für Sie.“

INFO
Das Kranzbach gehört in Deutschland zu den Pionieren des Waldbaden Im Taunus und im schweizerischen Aletschwald führt Annette Bernjus ihre Gruppen in den Wald. Im Westerwald liegt man in Hängematten. Thüringen steuert zum Waldbaden auch Expeditionen bei. Massagen im Wald und einen großen Spa mit Mooswänden, Reisig und kleinen Bäumen gibt es in Leogang in Österreich. In Flims in der Schweiz führt Waldbaden an einen Wasserfall. In den Dolomiten führt der Besitzer des Miramonti die Gäste in den Wald, und das Hotel Gitschberg ergänzt die Naturwellness mit einer Blütenuhrmassage (www.gitschberg.it).