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Letzte Aktualisierung: 16.04.2024

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`All our futures`

3 Jahre, 3 Orte, 200 Jugendliche – das Frankfurter Stadtprojekt für kulturelle Bildung

von Ilse Romahn

(06.11.2017) »Wie wollen wir leben? Nach welchen Regeln? Wie wollen wir unsere Zukunft gestalten?« Mit dem Stadtprojekt »All Our Futures« startet das Schauspiel Frankfurt eine große künstlerische Forschungsreise in verschiedene Frankfurter Lebenswelten.

Bildergalerie
Alexander Leiffheidt (Dramaturg), Martina Drose (Leitung junges Schauspiel) und Anselm Weber (Intendant)
Foto: Jessica Schäfer
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Pressekonferenz im Schauspiel Frankfurt
Foto: Jessica Schäfer
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Intendant Anselm Weber, Martina Droste (Leitung Junges Schauspiel) und Alexander Leiffheidt (Dramaturg) stellten im Rahmen einer Pressekonferenz zusammen mit den rund 35 beteiligten Künstlern, Schulleitern, Lehrern und Förderer das Projekt vor.

Stadt als Kommunikation, als vielstimmige Verhandlung von Eigen- und Fremdbeschreibungen – dieser Gedanke bildet den Kern des Projekts »All Our Futures«. Im Mittelpunkt steht die Zukunft der Stadt bzw. die Zukünfte ihrer jungen Bewohner.

„All Our Futures“ ist ein auf drei Jahre angelegtes Partnerschaftsprojekt, das vermittels einer künstlerischen Bearbeitung der zentralen Frage „In welcher Welt wollen wir leben?“ den beteiligten Jugendlichen ermöglicht, ihre Hoffnungen, Ambitionen, Ängste und Überzeugungen in kollektiven künstlerischen Prozessen neu zu begreifen; Regeln für ein gelingendes Zusammenleben und Visionen für die eigene Zukunft auszuhandeln, zu formulieren und performativ auszudrücken.

»All Our Futures« erkundet die Stadt Frankfurt von drei »Schauplätzen« aus, in denen jeweils drei Partnerorganisationen für die Umsetzung des Projekts gefunden wurden:

Schauplatz 1: »Frankfurt West« - Unterliederbach, Höchst
In diesem Bereich ist es gelungen, ein dichtes Netz von Kooperationen mit der Ludwig-Erhard-Schule (Berufliche Schule, Unterliederbach), der Walter-Kolb-Schule (Haupt- und Realschule, Unterliederbach) sowie der Hostatoschule (Hauptschule, Höchst) zu knüpfen.

Schauplatz 2: »Frankfurt Nord« - Eschersheim, Niederursel, Kalbach-Riedberg
In diesem »Schauplatz« (Ortsbezirke 8, 9 und 12) arbeitet »All Our Futures« mit der Johann-Hinrich-Wichern-Schule (Förderschule, Eschersheim), der Ernst-Reuter-Schule II (Realschule, Niederursel) sowie im hohen Norden der Stadt mit dem Gymnasium Riedberg (Gymnasium, Kalbach-Riedberg) zusammen.

Schauplatz 3: »Frankfurt Ost« – Bornheim/Bergen-Enkheim
Beteiligt sind die Louise-von-Rothschild-Schule (Realschule, Bornheim), die Schule am Ried (Kooperative Gesamtschule, Bergen-Enkheim) sowie als nicht-schulischer Partner der Deutsche Kinderschutzbund Frankfurt (Bornheim).

Über die jeweiligen Partnerorganisationen in jedem »Schauplatz« werden die jugendlichen TeilnehmerInnen an das Projekt herangeführt. Dabei sind drei Projektpartner pro Stadtteil (»Schauplatz«) mit jeweils einer Gruppe von 10-22 Jugendlichen beteiligt, denen jeweils eine Lehrkraft als FachkoordinatorIn zugeordnet ist. An den Schulen findet das Projekt zumeist im Bereich Wahlpflichtunterricht (WPU) oder im Regelunterricht (RU) statt.

Die künstlerische Arbeit der drei Gruppen eines »Schauplatzes« wird von jeweils einem Künstlerteam aus Frankfurt angeleitet, bestehend aus 3-4 KünstlerInnen der Disziplinen Performance, Tanz, Musik und Bildende Kunst.

Performance/Darstellende Kunst:
Leander Ripchinsky (Künstlerteam WEST), Florence Ruckstuhl (Künstlerteam WEST), Corbinian Deller (Künstlerteam NORD), Regina Wenig (Künstlerteam OST)

Tanz: Britta Schönbrunn (Künstlerteam WEST), Kristina Veit (Künstlerteam OST)

Bildende Kunst: Jorma Foth (Künstlerteam NORD), Kristin Lohmann (Künstlerteam WEST)

Musik: Paul Hübner (Künstlerteam NORD), Alexander Hadjiev (Künstlerteam OST)

Insgesamt sind neun Lehrkräfte und zehn KünstlerInnen beteiligt.

Für alle Künstlerteams in den drei Schauplätzen findet zu Beginn der Arbeit ein Treffen statt, an dem der gemeinsame Ausgangspunkt vorgestellt und besprochen wird.

Der narrative Rahmen des auf drei Jahre angelegten Projekts vollzieht sich in drei Schritten: Im ersten Schritt erkunden die Jugendlichen ihre eigene Umgebung, bilden verschiedene Gruppen und geben sich eine bestimmte Verfassung (Die Welten). Im zweiten Schritt entdecken sie jeweils die »Welten« der anderen und entwickeln Möglichkeiten, zu kommunizieren und miteinander in Austausch zu treten (Die Reisen). Im dritten Schritt kommen die »ForscherInnen« aller »Welten« zusammen, um gemeinsam etwas Neues zu erschaffen und zu feiern (Die Gründung).

Das erste Jahr - Die Welten: Wer sind wir? 
Das erste Jahr des Projekts beginnt mit einem Erkundungsprozess, der sich mit der Lebensrealität der Jugendlichen und ihrer unmittelbaren Umgebung im Stadtteil beschäftigt. Jede Gruppe stellt Untersuchungen an, welche Religionen im Stadtteil wie und seit wann präsent sind, welche Rituale lebendig sind und gepflegt werden. Hier trifft sich jede Projektgruppe einmal wöchentlich mit mindestens zwei der drei KünstlerInnen aus der Gruppe und der beteiligten PädagogInnen, sammelt Informationen, plant Exkursionen und Veranstaltungen.

Alle sechs bis acht Wochen treffen sich die drei Gruppen eines »Schauplatzes« zum Austausch. Ausgehend von diesen Recherchen entwickeln die Künstler und Künstlerinnen mit den Jugendlichen in kleinen Schritten Performances und andere Formen der öffentlichen Darstellung.

Ab Dezember 2017 münden diese gemeinsamen Treffen am Schauplatz in kleinere Präsentationen und Aktionen im Stadtteil. Der Prozess der Arbeit wird bereits während des ersten Projektjahres nicht nur auf den Stadtteil beschränk bleiben, sondern sich auch immer wieder zentral im Schauspielhaus abbilden. Hierzu wird in der BOX des Schauspiel Frankfurt eine eigene Reihe mit dem Namen »Spielraum« geschaffen, die über ihren Titel mit anderen neuen Veranstaltungsformaten (»Denkraum«, »Freiraum« etc.) korrespondiert. Im Februar und April 2018 werden in diesem Rahmen einzelne Aktionen/Zwischenstände kleinerer Gruppen aus allen drei »Schauplätzen« gezeigt. Im März und Mai 2018 gibt es weitere Präsentationen und Aktionen der drei Gruppen am jeweiligen Schauplatz. Die Beschaffenheit der Arbeit ist abhängig von den gewählten Kunstdisziplinen und auch von der Herkunft und den Disziplinen der beteiligten KünstlerInnen. Zum Abschlusstag des ersten Jahres im Juni 2018 findet eine gemeinsame Präsentation der Arbeiten aller drei Schauplätze im Schauspiel Frankfurt in Form einer Ausstellung statt.

Das zweite Jahr - Die Reisen: Wer sind die Anderen - wer sind wir woanders?
Zum Forschungsauftrag des ersten Jahres tritt eine neue Aufgabe hinzu: Im Laufe des zweiten Jahres besuchen und erkunden sich alle drei »Schauplätze« gegenseitig, und es muss das jeweils Fremde in die eigene künstlerische und identitätsbezogene Setzung integriert werden, um gemeinsam etwas Neues zu schaffen. Die TeilnehmerInnen eines »Schauplatzes« werden mit TeilnehmerInnen aus anderen »Schauplätzen« konfrontiert. Zu diesem Zweck tauschen sich die drei Gruppen der drei »Schauplätze« untereinander aus, so dass am Ende dieser Phase jede Gruppe mindestens einmal jede andere Gruppe aus jedem »Schauplatz« besucht hat und ihrerseits besucht worden ist.

Auch am Ende des zweiten Jahres steht wieder eine Abschlussveranstaltung im jeweiligen »Schauplatz« sowie eine gemeinsame Präsentation aller drei »Schauplätze« in Form einer Ausstellung im Schauspiel. Im Unterschied zum ersten Jahr werden die Arbeiten des zweiten Jahres aber von den TeilnehmerInnen der »Schauplätze« in neuen Kombinationen zusammen erarbeitet.

Das dritte Jahr - Die Gründung: Was machen wir gemeinsam? 
Das dritte Jahr steht bereits von Beginn an im Zeichen einer gemeinsamen Veranstaltung, der sich von der lokalen Anbindung löst und zu einem zentralen Stadtprojekt entwickelt wird. Die einzelnen künstlerischen Schöpfungen der Jugendlichen, die nun miteinander kombinierbar sind, werden weiterhin überprüft und angepasst. Die Aufgabe des dritten Jahres führt die TeilnehmerInnen aller drei »Schauplätze« zusammen. Zugleich treffen die Jugendlichen auf eine neue Künstlerpersönlichkeit und eine neue künstlerische Vision: die junge Regisseurin Jessica Glause, deren Arbeit »Noah« in der Spielzeit 2015/16 für großes Aufsehen sorgte, übernimmt nun die künstlerische Gesamtleitung des Projekts, nachdem sie dem Projekt als begleitende Beobachterin bereits im vorangehenden Jahr beigetreten ist. In Zusammenarbeit mit den Künstlerteams aus den Stadtteilen entsteht nun die Abschlussveranstaltung des Projekts, die »Gründung«. Das über zwei Jahre bis zu diesem Punkt entwickelte künstlerische Material wird Eingang in die Abschlussarbeit finden und in ihr einer Gesamtvision zu eigen gemacht werden. Die »Gründung« als Abschluss des dritten Jahres findet um Ostern 2020 auf der großen Bühne des Schauspielhauses statt.

Das kulturelle Bildungsprojekt »All Our Futures« wird gefördert durch:
Kulturstiftung des Bundes, Robert Bosch Stiftung, Gemeinnützige Kulturfonds Frankfurt RheinMain GmbH, Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main, Frankfurter Sparkasse, PwC-Stiftung, Commerzbank-Stiftung