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Letzte Aktualisierung: 18.04.2024

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„Glanz und Elend in der Weimarer Republik“

Die „Schirn Kunsthalle“ blickt auf die Kunst von 1918-33

von Karl-Heinz Stier

(01.11.2017) Sie wird oft als das „goldene Jahrzehnt“ bezeichnet und gilt noch heute als Vorbild für viele selbstverständliche gesellschaftliche und soziale Errungenschaften. Gleichzeitig war die Weimarer Republik aber auch ein Mahnmal für das Scheitern, denn die junge Demokratie wurde von Anfang an von starken Kräften bekämpft, war äußerst gefährdet und von Krisen geschüttelt.

Bildergalerie
Sie stellen die neue Ausstellung vor: Dr. Helmut Müller vom Rhein-Main-Kulturfond, Direktor Dr. Philipp Demandt und Kuratorin Ingrid Pfeffer
Foto: Karl-Heinz Stier
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Margot, der neue Frauentyp von Rudolf Schlichter
Foto: Schirn Kunsthalle Frankfurt
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Plakate aus den 20er Jahren im Eingang zur Ausstellung
Foto: Schirn Kunsthalle Frankfurt
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Dame mit Schleier und Nerz gemalt von Otto Dix 1920
Foto: Schirn Kunsthalle Frankfurt
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 Die Ausstellung „Glanz und Elend in der Weimarer Republik“ in der „Schirn-Kulturhalle“ in Frankfurt konzentriert sich auf inhaltliche Fragen, wobei die politischen und sozialen Spannungen jener Jahre im Zentrum stehen. „Im Fokus der Ausstellung steht das große innere „Unbehagen der Epoche“ betonte der Direktor der Schirn, Dr. Philipp Demandt, und fuhr fort: „Viele Künstler erwiesen sich als Seismographen ihrer Zeit und scheinen das Scheitern der Weimarer Republik vorausgeahnt zu haben, lange bevor die Katastrophe tatsächlich eintrat“.

Die Ausstellung mit rund 190 Werken von 62 Künstlern konzentriert sich auf den politischen Flügel der „Neuen Sachlichkeit“. „Sie wollten aktiv auf Missstände hinweisen und die Epoche nicht nur abbilden, sondern auch bissig kommentieren und verändern“, so Ingrid Pfeiffer, die Kuratorin der Ausstellung. In neun thematischen Räumen – u.a. Politik, Vergnügungsindustrie, Paragraph 218 und 175, Industrielandschaften Sport und Soziale Themen, wird ein weiträumiges Panorama der Kunst und Gesellschaft der Weimarer Republik dargestellt.

Einer der Räume ist auch der „Neuen Frau“ gewidmet. Die Frauenfrage prägte politische Debatten über Abtreibung und Empfängnisverhütung, Eherechte, Prostitution und Frauenlöhne bis hin zu Mode und Alltagskultur. Die Figur der knabenhaften Garconne mit maskulinem Haarschnitt war ein besonders beliebter Bildtypus der neuen Weiblichkeit in Deutschland der 1920er Jahre. Der Bubikopf dominierte, aber auch andere männliche Accessoires wie Monokel, Hosenanzug, Smoking und Zigarette wurden öffentlich zur Schau getragen.

Gleich zu Beginn im Treppenhaus der Ausstellung empfangen den Besucher Plakate an den Wänden. Sie zeigen die politische Zersplitterung jener Zeit. Es ist eine andere Bildsprache als  wir heute gewöhnt sind: Fäuste und andere brutale Darstellungen dominieren - und vor allem die Farbe rot. Und immer wieder geht es um die Gleichberechtigung der Frau.

Doch zurück zu den thematischen Räumlichkeiten. Trotz sozialem Chaos, Hunger und Inflation entwickelte sich nach dem Ersten Weltkrieg vor allem in Berlin eine äußerst aufgeladene Szene aus Kabaretts, Tanz– und Nachtlokalen, in denen man „alles“ finden konnte. Besonders beliebt waren die Revuen: die offene Zurschaustellung fast nackter Körper in Verbindung mit extravaganten Kostümen. 1923 gab es 360 Revuen in 119 deutschen Städten.

Ein weiterer Raum ist den Portraits als Spiegel der Gesellschaft und der Neuen Sachlichkeit vorbehalten. Es waren oft Galeristen, Journalisten, Schriftsteller aber auch Industrielle, Ärzte und Naturwissenschaftler. Viele Portraits von Otto Dix,  Christian Schad und Rudolf Schlichter zeigen Menschen ohne Gefühlsregungen, sie wirken sachlich, glatt, kühl und verschlossen. Wer sie sind oder was sie charakterisiert, drücken die Künstler symbolisch aus, durch Gegenstände und Details – Dinge, die mit der gleichen Deutlichkeit gemalt sind wie die „Dinge“ oder dass umgekehrt jedes „Ding“ dieselbe Aufmerksamkeit erfährt wie das menschliche Individuum. Dies wird oft als typisches Merkmal der Neuen Sachlichkeit beschrieben.

Sport setzte nach dem verlorenen Krieg bei vielen die Sehnsucht nach Kampf und Kräftemessen. Sportberichte lasen sich wie Heeresberichte, und was damals Gefangenenzahlen und Beuteziffern gewesen waren, das waren jetzt Rekorde und Rennzeiten - so schrieb der Historiker Sebastian Haffner. Das angelsächsische „Schneller höher-weiter“ widersprach der deutschen Tradition des Turnens und der Körperertüchtigung. Deren Vorstellung war, dass Sport als Mittel zur „Wiedererstarkung des deutschen Volkes“ eingesetzt werden sollte.

Museumsdirektor Dr. Demandt meinte abschließend: „Es ist keine leichte Ausstellung, nach der man anschließend pfeifend durch Frankfurts Gassen geht. Die intensive Auseinandersetzung mit den Werken der Künstler führt uns eine Epoche mit dem seidenen Faden der Demokratie vor Augen, die uns vielleicht in mancher Hinsicht heute näher ist als wir glauben wollen“.  

Die Ausstellung, die noch bis 25.Februar 2018 dauert, ist Di, Fr-So von 10 bis 19 Uhr, Mi und DO von 10 bis 22 Uhr geöffnet. Mehr Infos sind unter www.schirn.de zu finden, auch die 10 Führungen, die das Programm bis zum Ende auflistet. Führungen können unter fuehrungen@schirn.de angemeldet werden.